Von Crailsheim nach Rostock in elf Stunden oder von Waldenburg nach Sylt in 15 Stunden – das ist in diesem Sommer für nur neun Euro pro Ticket möglich. Mit dem neuen, vergünstigten Ticket möchte die Bundesregierung die Bürger finanziell entlasten und die Nutzung des ÖPNV langfristig attraktiver machen. Grund genug, sich den Nahverkehr in Hohenlohe mal genauer anzusehen und den Test zu wagen: Wie attraktiv ist das Bus- und Zugfahren im Verbreitungsgebiet von Hohenlohe Trends wirklich?
Die Spielregeln: Das Auto darf nicht benutzt werden und die Tour muss durch den Main-Tauber-Kreis, den Hohenlohekreis sowie den Landkreis Schwäbisch Hall führen. Ich bastle mir eine Route im „DB Navigator“ zusammen. Meine Tour führt mich von Stimpfach – meinem Heimatort – über Crailsheim, Bad Mergentheim, Künzelsau und Waldenburg wieder zurück über Crailsheim nach Stimpfach. Das sind geplante 6 Stunden und 16 Minuten Fahrt mit fünf Umstiegen. Der „DB Navigator“ empfiehlt mir für diese Route das „Baden-Württemberg-Ticket“ für 24 Euro, das ich über die DB-App kaufen und per Paypal bezahlen kann.
Eingleisige Strecke sorgt für Wartezeiten
Meine große Reise findet an einem Montag Anfang Mai statt. Ich packe mir einen Rucksack mit Verpflegung und starte zu Fuß – schließlich muss ich ja irgendwie zur Bushaltestelle an der Schule in Stimpfach kommen. Der erste Bus fährt um 9.36 Uhr ab – und fast an mir vorbei. Mit Winken mache ich auf mich aufmerksam und der Busfahrer hält wenige Meter nach der Haltestelle an. Am Bahnhof Crailsheim angekommen, habe ich knapp 30 Minuten Umsteigezeit. Um 10:33 Uhr fährt dann der Regional-Express nach Wertheim ab – eigentlich. Er hat schon in Crailsheim rund vier Minuten Verspätung. Bis zur Ankunft in Bad Mergentheim werden es noch einige mehr, da die Bahn immer wieder an den Bahnhöfen auf entgegenkommende Züge warten muss. Was mir jedoch an der Strecke gefällt: Es gibt viele Bedarfshaltestellen, der Zug hält also nicht in jeder Ortschaft. Außerdem freue ich mich über die angenehmen Temperaturen im Zug, keine Selbstverständlichkeit, da es draußen immerhin knapp 25 Grad warm ist. Hinzu kommt: Im Zug gibt es WLAN.
Wo geht’s denn hier nach Waldenburg?
Den Bahnhof Bad Mergentheim erreiche ich circa zehn Minuten später als geplant. Das ist nicht schlimm, da ich sowieso einen Aufenthalt von einer Stunde eingeplant habe. Wäre ich auf einen direkten Anschluss angewiesen, hätte ich diesen wahrscheinlich nicht erreicht.
Mein nächster Bus soll um 12.40 Uhr am Bahnhof abfahren, doch auf der digitalen Anzeigetafel ist er nicht gelistet. Ich stelle mich an die Haltestelle, an der „Künzelsau“ angeschrieben ist, erst um 12.45 Uhr biegt das weiße Gefährt ein. Ein sehr netter Busfahrer begrüßt mich und die wenigen anderen Fahrgäste. Die Fahrt ist wieder sehr angenehm: Die Strecke führt vorbei an Wiesen, Wäldern, Weinbergen und Burgen. Grundschüler steigen zu und wieder aus, der Busfahrer verabschiedet sich jedes Mal über das Mikrofon von seinen Fahrgästen. Auch dieser Bus hat wieder wenige Minuten Verspätung. In Künzelsau muss er eine Umleitung fahren. Sowohl in der Bahn-App als auch auf der digitalen Anzeigentafel im Bus sind trotzdem noch drei Haltestellen bis zu meinem Zwischenziel aufgeführt. Doch plötzlich sagt der Busfahrer „Endstation. Vielen Dank fürs Mitfahren!“ Ich bin ortsunkundig und vergewissere mich beim Fahrer, ob wir schon am Bahnhof Künzelsau angekommen sind. Er bejaht, ich steige aus und mache mich auf die Suche nach der Haltestelle für den Bus nach Waldenburg. Es ist wenig übersichtlich, erst nachdem ich das Gelände zweimal abgelaufen bin, entdecke ich die richtige Station.
Küsse, laute Gespräche und fehlender Kaffee
Während die vorherige Fahrt überraschend angenehm war, erlebe ich auf der Strecke von Künzelsau nach Waldenburg so ziemlich jedes Klischee. Im Bus ist es stickig, einige Mitfahrer halten sich nicht an die vorgeschriebene Maskenpflicht. Eine Frau, die direkt hinter mir sitzt, telefoniert lautstark. Zu allem übel sitzt gegenüber von mir auch noch ein wild knutschendes Paar. Ich schließe die Augen und verfluche den ÖPNV insgeheim ein bisschen. In Waldenburg komme ich pünktlich um 14.13 Uhr an, 26 Minuten muss ich auf den Anschlusszug nach Crailsheim warten. Der Bahnhof ist sehr trostlos, es gibt wenige Sitzgelegenheiten, wenig Schatten und vor allem keinen von mir so ersehnten Kaffee. Die Fahrt nach Crailsheim verläuft wieder sehr ruhig, der Zug ist aber recht voll. In Crailsheim angekommen, suche ich nach dem Bus, der mich zurück nach Stimpfach bringen soll. Es ist ein Kleinbus mit nur knapp 15 Sitzplätzen. Um 15.58 Uhr bin ich dann endlich wieder in meiner Heimat angekommen.
Entgegen meiner Erwartung hat alles auf meiner Tagestour geklappt – es gab keine Ausfälle und ich habe alle Anschlüsse erreicht. Vor allem die Busfahrten haben mich zum großen Teil angenehm überrascht. Verbesserungsbedarf gibt es auf jeden Fall bei den Kennzeichnungen an den Busbahnhöfen. Wer sich nicht auskennt, verliert sich hier leicht. Letztendlich ist das ÖPNV-Angebot in Hohenlohe überraschend gut und es lohnt sich auf jeden Fall, die öffentlichen Verkehrsmittel für den ein oder anderen Ausflug zu nutzen.
Mehr davon gibt‘s unter @hohenlohetrends.
Der Vergleich mit dem Auto
Die gewählte Route durch das Trends-Verbreitungsgebiet lässt sich natürlich auch mit dem Auto abfahren: Knapp vier Stunden würde man mit dem Pkw für die circa 165 Kilometer brauchen – eine Mittagspause von einer Stunde mit inbegriffen.
Bewusstsein schaffen
Das ist allerdings auch teuer: Sowohl für den eigenen Geldbeutel als auch für die Umwelt: Etwa 25 Kilogramm CO2 würde man mit einem Benziner auf der Pkw-Tour ausstoßen. Zum Vergleich: Wer die Route mit dem ÖPNV absolviert, spart deutlich CO2-Emissionen ein und kommt auf einen Wert von etwa 4,2 Kilogramm (Quelle: www.spritrechner.biz). es