In Deutschlands Städten ist Retro-Mode längst Kult. Gebraucht soll es sein und so darf es auch aussehen: Mit Jeans im „Used Look“ und Markenstücken zum Schnäppchenpreis wird Mode zum Statement, ein Ausdruck von Ökobewusstsein. Jetzt scheinen Kleider aus zweiter Hand auch im Ländle endlich salonfähig zu werden. Jedenfalls ist „die Nachfrage in Crailsheim so hoch, dass wir mit neuem Standort erweitern wollen“, erklärt Renate Zimprich, Leiterin Soziale Arbeit und Dienste der karitativen Hilfsorganisation Deutsches Rotes Kreuz (DRK) Schwäbisch Hall/Crailsheim.
Der Rot-Kreuz-Kleiderladen zieht daher von der Ludwig-Erhard-Straße 28 in die Crailsheimer Fußgängerzone. „Wir wollen am 1. September in der Langen Straße wiedereröffnen, mit größerer Ausstellungsfläche und einem integrierten DRK-Info-Shop. Unsere Öffnungszeiten passen wir dann dem Einzelhandel an“, sagt Zimprich.
Offen für alle
Das Publikum sei bunt gemischt, von jung bis alt, quer durch alle Geldbeutel. „Wir sind offen für alle“, betont Zimprich. Es kämen sozial Schwächere, aber immer öfter auch Verbraucher, die sich bewusst für Bekleidung aus zweiter Hand entscheiden. „Sie wollen nachhaltig und ökologisch verantwortungsvoll handeln. Secondhand ist eine Möglichkeit, den Textilkreislauf der schnelllebigen Modeindustrie zu erweitern und zu entschleunigen“, weiß die Leiterin. Denn während in Kaufhäusern eine Sale-Aktion die nächste jage, um Kunden zum Einkauf anzuspornen, und diverse Textilgiganten im Wochentakt neue Kollektionen auf den Markt bringen, sammele sich in den Kleiderschränken der Konsumenten eine Unmenge an Wegwerf-Ware an. Laut dem Dachverband „FairWertung“ finden bundesweit jährlich über eine Million Tonnen Textilien den Weg in Altkleider-Container – mit steigender Tendenz.
Renate Zimprich dazu: „Uns erreichen täglich Spenden. Viele bringen ihre gebrauchten Kleider direkt in den Laden oder in die Geschäftsstelle in Hall. Dort haben wir seit über einem Jahr eine zentrale Sortierstelle, wo jeder Kleidersack von Hand überprüft wird, ob die Kleidungsstücke modisch und gut erhalten sind und somit in den Verkauf gehen können. Wir stellen zwar fest, dass die Warenqualität aufgrund der sogenannten Fast Fashion in den letzten Jahren ein wenig abnimmt, vieles sind aber wirklich tolle Einzelstücke, die wir zum kleinen Preis anbieten.“ In jedem Fall sei es wichtig, Altkleider nicht in den Hausmüll zu werfen, denn dann würden sie einfach verbrannt. „Die Sachen, die wir nicht in den Verkauf nehmen, bekommt unser Partnerunternehmen, das für uns die Container leert“, erklärt Zimprich. Aufgrund der preisgünstigen Angebote könne sich der Laden mit den Einnahmen aus dem Textilverkauf allein nicht halten. „Wir stocken da durch Bezuschussungen des DRK auf. Außerdem sind wir auf die Hilfe Ehrenamtlicher angewiesen – gerade wenn wir künftig noch länger geöffnet haben.“
Auch in der „Brauchbar“ in Langenburg treffen regelmäßig Kleiderspenden ein. „Etwa acht Bananenkisten pro Woche kommen da mittlerweile zusammen“, sagt Koordinatorin Berit Ullmann-Fischer. Die einwandfreie Ware, etwa ein Drittel, gehe in den Verkauf, die unmodischeren Teile an Hilfsprojekte im Ausland und was beschädigt sei, wandere in die Verwertung. Wie der Rot-Kreuz-Laden in Crailsheim, ist auch die „Brauchbar“ gut bestückt und liebevoll sortiert. Da das Langenburger Unternehmen Farmbau dem Secondhand-Team Räumlichkeiten auf dem Firmenareal kostenlos zur Verfügung stelle, trage sich das Sozialprojekt gut. „Wir fingen 2015 im Rahmen der Flüchtlingswelle damit an, Kleider zu sammeln, um sie an Bedürftige gegen wenig Geld weiterzugeben“, erinnert sich Ullmann-Fischer. „Aber bis heute wächst unser Sortiment und wir erfahren immer größeren Zuspruch aus der Gesellschaft.“
Da die „Brauchbar“, deren Träger die Kirchengemeinden sowie die Stadt Langenburg sind, auch außerhalb der Öffnungszeiten am Mittwoch und Samstag einen hohen Arbeitseinsatz erfordere, sei das Projekt mit reinem Ehrenamt nicht mehr zu stemmen. „Seit etwa einem halben Jahr kommen auch Jüngere bei uns shoppen“, freut sich Ullmann-Fischer, die jeden Tag die großzügigen Sach- und Kleiderspenden sortiert. Es sei schön, zu sehen, dass die Hemmschwelle, in einem Secondhandladen einzukaufen, langsam verschwinde und sich in den Köpfen vieler Zweite-Hand-Mode nicht mehr nur mit „armen Leuten“, sondern neuerdings auch mit „Nachhaltigkeit“ verbinde.
Weniger ist mehr
Für alle, die (noch) nicht bereit sind, secondhand einzukaufen, und trotzdem „bewusst konsumieren“ wollen, sieht Gabriele Manthey, Geschäftsführerin von TC Buckenmaier, den Ansatz im eigenen Metier: „Als mittelständischer Traditionsmodehandel übernehmen wir Verantwortung und überprüfen jedes Label, das wir führen, darauf, unter welchen Bedingungen die Hersteller produzieren.“ In einem sind sich alle drei Damen sicher: „Jeder Verbraucher sollte sein eigenes Konsumverhalten hinterfragen. Denn nur was nachgefragt wird, wird angeboten.“
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So viel Kleidung flutet den Markt
Laut Greenpeace hat jeder Erwachsene in Deutschland durchschnittlich 95 Teile im Kleiderschrank – insgesamt 5,2 Milliarden. Davon würde jedes fünfte Kleidungsstück, rund eine Milliarde, „so gut wie nie“ und eine weitere Milliarde nur „selten“ getragen – also fast 40 Prozent nahezu „nur für den Schrank“ produziert. Die gemeinnützigen Sammler benötigen für ihre soziale Arbeit vor Ort weniger als zehn Prozent der Altkleider. Die Überschüsse werden an gewerbliche Firmen verkauft – ein Teil geht ins Ausland, der Rest wird zu Putzlappen oder Rohstoffen verarbeitet.
Der jährliche Umsatz von Schuhen und Bekleidung liegt laut Statistischem Bundesamt bei rund 75 Milliarden Euro.