Franziska Böhler ist Krankenschwester mit Leib und Seele. Ihre Erfahrungen und die Liebe zu ihrem Beruf schrieb sie in einem Buch nieder, das viel Beachtung fand. Auf der Vitamed wird Böhler aus ihrem Buch lesen und die Exemplare von Besuchern auf Wunsch auch signieren. Zudem ist Böhler mit weiteren Experten aus der Gesundheitsbranche Teil der Messe-Talkrunde, die sich am Sonntag, 26. März, unter der Überschrift „Pflegenotstand! Was muss sich ändern?“ mit den Problemen des Gesundheitssystems auseinandersetzt.

Frau Böhler, in Ihrem Buch „I’m a Nurse“ gehen Sie hart mit der Situation in der Gesundheitsbranche ins Gericht. Was hat Sie denn bewogen, ihre Gedanken in Form eines Buches öffentlich zu machen?

Ich habe 2017 mit Instagram angefangen, beziehungsweise mich angemeldet. Eigentlich war es überhaupt nicht geplant, so in die Öffentlichkeitsarbeit einzusteigen. Es war eher ein Zufall. Nach einem anstrengenden Dienst lud ich ein Bild in Arbeitskleidung hoch und beschrieb frustriert meinen Tag. Dieses eine Bild rief wahnsinnig viele Reaktionen hervor. Es war deutlich zu spüren, dass viele Kolleginnen und Kollegen auf der Suche nach Austausch waren. Aber auch Patienten und Angehörige. Plötzlich wuchs diese kleine Gemeinschaft. 2019 schrieb mir meine spätere Co-Autorin Jarka Kubsova eine Nachricht. Sie fragte mich, ob ich denn darüber nachgedacht hätte, ein Buch zu schreiben. So nahm die Idee Form an und wir konnten „I‘m a Nurse“ im August 2020 veröffentlichen. 

Seit der Veröffentlichung vor drei Jahren haben Sie mit dem Buch viele Menschen erreicht und es unter anderem an die Spitze der „Spiegel“-Bestsellerliste geschafft. Was hat sich an der Situation im Gesundheitswesen seitdem geändert?

Oh, ich hatte die Hoffnung, dass die Pandemie der Wendepunkt sein würde. Diese Hoffnung hatten viele. Es zeigte sich überdeutlich, wie schlimm der Pflegenotstand wirklich ist. Covid war wie ein Brennglas, das die schmerzhafte Wahrheit nun jedem verdeutlichte. Ich würde behaupten, die Situation verschärft sich von Tag zu Tag. Unsere Probleme im Gesundheitswesen sind von vielen Faktoren abhängig. Leider waren alle Reformen, die groß angekündigt durchgewunken wurden, wirkungslos. Es ist wie eine Symptombehandlung, die aber die Krankheit nicht heilt. Deswegen war es umso enttäuschender, als wir bemerkten, dass sich nichts ändern würde.

Welche Probleme sind denn heute die dringlichsten in Ihrer Branche?

Der Personalmangel. Kolleginnen und Kollegen mit Berufserfahrung müssten eigentlich von jedem Arbeitgeber behandelt werden wie flüssiges Gold. Wir befinden uns in einer Spirale, aus der wir so einfach nicht mehr herauskommen. Die Menschen werden immer älter, die Pflegenden immer weniger. Diese Diskrepanz wird von Jahr zu Jahr größer. Wir brauchen also dringend mehr Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen.


Wie motivieren Sie sich, Tag für Tag, angesichts dieser Umstände?

Ich fühle mich nach wie vor immer noch persönlich und kognitiv gefordert. Jeder Tag ist anders, jede Minute kann neue Herausforderungen mit sich bringen. Das mag ich an meinem Beruf.

Wie helfen Auftritte, wie Ihr Besuch auf der kommenden Vitamed in Crailsheim, Ihrem Anliegen, bessere Bedingungen in Pflegeberufen zu schaffen?

Es ist die Aufklärung, die ich als meinen Auftrag sehe. Die Menschen müssen wissen, was auf sie zukommt, wenn sie medizinische, pflegerische Hilfe brauchen. Unser System ist krank. Das baden letztlich wir alle aus.

Sehen Sie denn eine Perspektive für ein Gesundheitssystem, das sich mehr am Menschen orientiert?

Solange unser System auf Profit ausgelegt ist – und das ist es schon lange –, kann der Patient nicht an erster Stelle stehen. Das ist sehr schade.

Info Ihr Buch „I‘m a Nurse: Warum ich meinen Beruf als Krankenschwester liebe – trotz allem“ ist 2020 im Heyne Verlag erschienen und kletterte bis auf Platz 1 der „Spiegel“-Bestsellerliste. Auf 256 Seiten schildert Böhler in bewegenden Fallgeschichten den Stationsalltag im Krankenhaus und macht deutlich, wie sehr Patienten und Personal unter profitorientierten Strukturen leiden. Die 35-Jährige ist Mutter zweier Kinder und  wurde während der Corona-Pandemie zu einem der Gesichter ihres Berufsstandes. Sie berichtet unter anderem auf Instagram unter @thefabulousfranzi aus ihrem Berufsleben. Rund 260 000 Menschen verfolgen dort ihre Beiträge.