Eine Cousine, zwei Brüder und einen guten Freund – mehr braucht es nicht, um eine Hilfsaktion ins Leben zu rufen. Als die Crailsheimerin Ceylan Bisgin die Bilder der Zerstörung aus dem Erdbebengebiet in der Türkei und in Syrien in den Fernsehnachrichten sah, liefen ihr die Tränen aus den Augen. So viel Zerstörung, so viel Leid, so viele Tote. Die Stadträtin (SPD) rief ihre Cousins Kadir Sami und Devrim Sami an, die ebenfalls in Crailsheim leben: „Wir müssen etwas tun.“
Angehörige in Gaziantep
Sofort setzten sie sich zusammen, der gute Freund Yunus Emre Demir kam noch dazu. Innerhalb von Minuten waren sie sich einig: Wir organisieren eine Hilfsaktion und fahren warme Kleidung, Decken, Lebensmittel und Hygieneartikel in die betroffene Region. In der Stadt Gaziantep und einigen Nachbarorten leben Familienangehörige der jungen Crailsheimer mit türkischen Wurzeln – Großtanten, Cousinen und eine Oma. „Von der Großtante wissen wir, dass alle Menschen auf der Straße leben: Die Häuser sind entweder zerstört oder einsturzgefährdet. Es ist sehr kalt, es gibt nichts zu essen, es fehlt an allem“, sagt Bisgin. Immer wieder kommen Anrufe von Verwandten und Freunden aus dem Katastrophengebiet: „Wir brauchen Holz, damit wir ein Feuer machen können.“
Seit Donnerstag können Menschen, die helfen wollen, zwischen 14 und 19 Uhr Sachspenden zum Sammelpunkt am Restaurant Odyssee, Postplatz 2 in Crailsheim (Jagstbrückenhochhaus), bringen. Es ist ein stetes Kommen und Gehen: Autos fahren vor, den Kofferraum voll beladen mit Kartons und Säcken voller Winterkleidung, Stiefeln und Decken. Mit zwei Kleintransportern werden die Hilfsgüter zu einer Spedition in Kreßberg gebracht, wo einige Großspenden an Kleidung, Lebensmitteln und Werkzeug bereits direkt angeliefert wurden. Die Hakro Merlins Crailsheim unterstützen die Aktion mit Jacken, Sweatshirts und Hosen.
„Neun Sprinter sind am ersten Tag ins Lager gefahren, da waren bereits drei Lkw beladen“, erklärt Devrim Sami. Bis zum morgigen Sonntag können noch Sachspenden abgegeben werden. Am Montag fahren die Lkw los in die Türkei, wo die Spenden an eine Hilfsorganisation übergeben werden, die sich um die Verteilung kümmert. Die Kosten des Transports tragen die Organisatoren. „Wir sind überwältigt von der großen Anteilnahme und Hilfsbereitschaft. Es ist unglaublich, wie viele Spenden in kurzer Zeit gebracht wurden“, sagt Kadir Sami. „Crailsheim zeigt sich solidarisch: In der Not halten die Menschen zusammen.“
Hilfstransport aus Rot am See
Die Familie Leinweber von der gleichnamigen Spedition in Rot am See und Ilshofen stellt derzeit einen Hilfskonvoi für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien zusammen. Zum einen gibt es Kontakte zu türkischen Spediteuren, zum anderen war es einfach richtig, diese Aktion auf den Weg zu bringen, sagt Irina Leinweber im Namen der Familie. Immer wieder hatte es Hinweise auf Waren und Spendenpakete gegeben, die nicht ins Erdbebengebiet transportiert werden können.
Ein Zug – 33 Stellplätze voller Waren, so viel passt in einen Lkw-Anhänger – ist dank eines Kunden mit türkischem Mitarbeiter bereits gefüllt. Nachdem Leinwebers ihren Spendenaufruf unter anderem über den WhatsApp-Status geteilt haben, werden stündlich Kisten für einen weiteren Anhänger abgegeben. Leinwebers bitten darum, bis zum 24. Februar warme Kleidung, Hygieneartikel, aber auch Babynahrung, Decken, Schlafsäcke, Kekse, Riegel, Dosennahrung und anderes möglichst in jeweils eigenen, beschrifteten Kartons in der Robert-Bosch-Straße 12 in Rot am See vorbeizubringen, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 12 Uhr.
Im Kleinen anfangen
Nicht nur Familien mit türkischen Wurzeln wollen nach Kräften helfen. Amelie Erdin hat beim Kinderturnen der Landfrauen in Matzenbach erfahren, wie groß generell die Bereitschaft zu helfen ist. Nachdem offiziell nur noch etikettierte Kleidung angenommen wird, hat sie die großzügig eingegangenen Spenden zurückgegeben. Sie selbst und ihr Mann Emre helfen zunächst mit Geld, wie ungezählte andere Familien auch.
Die beiden haben Angehörige in der Türkei, „Gott sei Dank nicht im betroffenen Gebiet“, sagt Amelie Erdin. Die Eheleute unterstützen aber seit Langem ein an Diabetes schwer erkranktes Kind in Gaziantep, und die Millionenstadt ist ganz nahe am Epizentrum und massiv zerstört. Im Kleinen hilft die Familie dort bereits jetzt, an größeren, koordinierten Hilfsprojekten wird gearbeitet.