Vor vier Jahren stand Siegfried Baier (88), einer der angesehensten Bürger von Crailsheim, vor den Trümmern seines Lebenswerkes: Mit dem Konkurs der Buchhandlung Baier im Oktober 2015 endete die Geschichte eines traditionsreichen Geschäftes unter einem erdrückenden Schuldenberg.
Die Pleite des Unternehmens hat jetzt ein strafrechtliches Nachspiel, bei dem sich seit Dienstag auch der Sohn Robert Baier (52), der seit 1996 ebenfalls als Geschäftsführer fungierte, vor dem Schöffengericht des Amtsgerichtes Crailsheim unter dem Vorsitz von Richterin Uta Herrmann zu verantworten hat.
Oberstaatsanwalt Peter Humburger brauchte knapp eine Stunde, um die Anklageschrift zu verlesen. Detailliert listete er sämtliche 189 Straftaten auf, die dem Senior und dem Junior vorgeworfen werden und die im Strafgesetzbuch vor allem unter den einschlägigen Paragrafen „Insolvenzverschleppung“ sowie „Betrug“ und „Bankrott“ behandelt werden.
Der Seniorchef habe sich zwar im Jahr 2006 aus dem Geschäft zurückgezogen, war aber nach Ansicht des Oberstaatsanwaltes auch durch Urlaubsvertretungen seines Sohnes stets über die finanzielle Lage der Firma im Bild.
Düstere Wolken zogen dann erstmals im Jahr 2013 über der Buchhandlung auf, als Lieferanten per Mahnbescheid auf die Bezahlung ihrer Rechnungen pochen mussten. „Die Lage spitzte sich dann immer weiter zu, mit deutlichen Warnzeichen, die nicht zu übersehen waren“, sagte Peter Humburger.
Mitarbeiter der Buchhandlung Baier mussten ohne Gehalt auskommen
Die Firma, zu der als eigenständiges Unternehmen auch die „Spielburg“ zählte, sah sich nämlich nicht nur mit 14 Zwangsvollstreckungen konfrontiert, sondern ab Januar 2014 auch mit Kontopfändungen. Eine Bank zog schließlich die Reißleine und kündigte einen Kredit in Höhe von 581.000 Euro.
Die finanzielle Schieflage hatte aber auch massive Folgen für die Mitarbeiter der Firma: Sozialversicherungsbeiträge gingen bei diversen Krankenkassen nur noch verspätet oder gar nicht mehr ein (hier liegt laut Anklage der Schaden bei rund 9000 Euro), die Angestellten warteten monatelang und letztlich vergeblich auf ausstehende Gehaltszahlungen.
Der Juniorchef habe zudem in der kritischen Phase noch eine Buchhändlerin eingestellt, „obwohl ihm klar gewesen sein muss, dass er die Frau nicht mehr entlohnen kann“, sagte Peter Humburger. Zudem habe er trotz des finanziellen Niedergangs des Unternehmens in einer „Vielzahl von Fällen“ Privatentnahmen aus der Firmenkasse oder vom Firmenkonto getätigt, die sich nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft auf rund 100.000 Euro summieren. Zudem sei seine Ehefrau, die de facto gar nicht im Unternehmen arbeitete, mit einem monatlichen Gehalt von zumeist 1400 Euro bedacht worden.
Auf der ellenlangen Liste des Oberstaatsanwaltes stand auch noch der Fall eines Lieferanten, der auf einer Rechnung über 7000 Euro sitzen blieb. Und auch bei den Buchführungspflichten sah der Oberstaatsanwalt ein strafwürdiges Verhalten: Die Bilanzen in den letzten Jahren der Firma seien oft erst mit großer Verspätung und dann gar nicht mehr erstellt worden.
Geschäftsführer stellte Insolvenzantrag im Herbst 2015 gestellt
In der Anklageschrift wird die Zahlungsunfähigkeit der Buchhandlung auf den März 2014 datiert. Es wurde aber Herbst 2015, bis das Insolvenzverfahren auf Antrag einer Krankenkasse beziehungsweise auf Initiative von Siegfried Baier gestartet wurde.
Nach den Buchstaben des Gesetzes muss ein Kaufmann, der seine finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, binnen drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen. Unter dem Strich türmte sich letztlich ein Schuldenberg von rund 1,329 Millionen Euro über dem Unternehmen auf.
Die Verteidiger der beiden Angeklagten erklärten, dass ihre Mandanten vorerst keine Angaben zur Sache, sondern nur zu ihrer Person und damit auch zu ihren Vermögensverhältnissen machen wollen, die bei der späteren Strafzumessung eine Rolle spielen. Siegfried Baier, der das Geschäft nach einer Buchhändler-Lehre 1952 von seiner Mutter übernahm und über Jahrzehnte hinweg führte, verwies darauf, dass der nach wie vor existierende und von der Insolvenz nicht betroffene Baier-Verlag derzeit keine Gewinne erziele. Man lebe, so der Senior, hauptsächlich von der Rente seiner Frau. Eine zivilrechtliche Forderung des Insolvenzverwalters über 5000 Euro habe man über zwei Jahre hinweg „abgestottert“.
Auf die Einkünfte seiner Ehefrau ist auch Robert Baier angewiesen, der „seit der Misere“ nicht mehr arbeitet. Das Wohnhaus der Familie habe man verkaufen müssen, um die Bankverbindlichkeiten begleichen zu können. Seine privaten Schulden bezifferte er auf rund 300.000 Euro.
Sein Verteidiger Timo Fuchs aus Ellwangen regte ein „Rechtsgespräch“ an, bei dem über das zu erwartende Strafmaß verhandelt werden kann. Falls es dabei zu einer Einigung (mitsamt Geständnis) kommt, könnte der auf weitere 18 Verhandlungstage angesetzte Strafprozess mit 35 Zeugen deutlich verkürzt werden.