Statt nach vier angesetzten Prozesstagen fiel das Urteil gegen ein Dealer-Duo am Landgericht Ellwangen bereits am zweiten Verhandlungstag. Die beiden Schöffen und zwei Berufsrichter unter Leitung von Richter Gerhard Ilg sahen es als erwiesen an, dass die Angeklagten im Sommer 2018 im Landkreis Schwäbisch Hall mit Marihuana in nicht unerheblichen Mengen gehandelt haben. Sowohl der 36-Jährige aus Obersontheim als auch sein gleichaltriger Komplize und Drogenlieferant aus Backnang erhielten eine Haftstrafe von jeweils fünfeinhalb Jahren, werden einen Entzug machen und müssen die geschätzten Einnahmen an die Staatskasse zahlen. Die sind nicht gering: Im Falle des Obersontheimers sind es rund 100.000 Euro, bei dem Backnanger rund 60.000 Euro.
Dass der Urteilsspruch so früh fallen konnte, ist dem Geständnis der beiden in Kasachstan Geborenen mit deutschem Pass zu verdanken, das sie bereits am ersten Prozesstag weitestgehend durch ihre Anwälte abgelegt hatten. Der Richter hatte ihnen vorher erklärt, dass sie kein mildes Urteil erwarten könnten und die Taten durch die Kriminalpolizei bestens nachgewiesen wurden.
Die umfangreiche Arbeit des Ermittlerteams war es denn auch, die am zweiten Prozesstag im Mittelpunkt stand. In Fuß- und Handschellen wurden die Angeklagten aus den Justizvollzugsanstalten, in denen sie bereits seit 13. Oktober letzten Jahres in Untersuchungshaft sitzen, in den Saal gebracht. Der Obersontheimer wurde damals direkt vor einer Tat mit einer Tasche, in der er zwei Kilo Cannabis hatte, erwischt. Er wollte sie gerade in Crailsheim an einen Dealer übergeben.
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Duo bekommt Küsse zur Begrüßung

Im Gerichtssaal wurden beide von ihren Frauen mit innigen Küssen begrüßt. Weitere Verwandte verfolgten die Verhandlung im Zuschauerraum.
Auf viele andere Zeugen während der Verhandlung verzichteten Staatsanwalt, Verteidiger und Gericht aufgrund der klaren Lage und der Geständnisse – selbst die Ergebnisse eines Sachverständigen, der die beiden Männer medizinisch, insbesondere auf eine mögliche eigene Sucht, untersucht hatte, wurden nur vorgelesen. Nur der leitende Ermittlungsbeamte sollte noch gehört werden. „Er hat sich wirklich viel Arbeit gemacht und war quasi Tag und Nacht im Einsatz“, lobte der Richter dessen Engagement. Es wurden viele Bilder gezeigt, die während der Observationen entstanden sind.
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Öffentliche Übergaben

Deutlich und in aller Öffentlichkeit übergibt darauf der Backnanger vor seinem im Bau befindlichen Haus Kilopakete Marihuana an den Obersontheimer, der sie im Kofferraum seines Mercedes transportierte. Ein Grund dafür, dass der Schlitten als Mittel zur Straftat auch einzogen und für 6000 Euro zugunsten der Staatskasse zwangsveräußert wurde. Auch die weiteren Umschlagsorte des Obersontheimers in aller Öffentlichkeit beispielsweise auf einem Parkplatz in seinem Heimatort an einen Dritten, in einem Crailsheimer Wohngebiet oder in Kirchberg an der Schule wurden dokumentiert.
„Es ist anzunehmen, dass es noch mehr Abnehmer gab“, sagte der Kripobeamte über den Obersontheimer. Es habe sehr viele Telefonverbindungen gegeben, die ausgewertet wurden. Dabei seien allerdings nur Treffpunkte zur Übergabe der Drogen vereinbart – allerdings keine Abnahmemengen erwähnt worden. Zum einen konnte die Polizei an der Größe der Behältnisse schätzen, welche Mengen gehandelt wurden, zum anderen bestätigte das Duo in seinen Geständnissen vor Gericht größtenteils die Schätzungen der Ermittlungsbeamten.
Da der Backnanger wiederholt die Pakete aus dem Rohbau geholt hatte, vermutete die Polizei dort ein größeres Lager. „Bei einer Durchsuchung nach der Festnahme wurde aber nichts gefunden“, so der Ermittlungsführer. An diesem Tag sei aber ein neuer Estrich in der Garage, in der das Lager vermutet wurde, eingebracht worden. Vielleicht sei es deshalb leer geräumt worden.
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Kein Suchtverhalten beobachtet

Eines war dem Richter noch wichtig – nämlich ob den Beamten aufgefallen sei, dass die beiden selbst Drogen konsumiert haben oder der Obersontheimer einer Spielsucht nachgegangen sei, die er gegenüber einem Sachverständigen angegeben hatte. Der Ermittlungsleiter schüttelte den Kopf. Allerdings sei ihm aufgefallen, dass der Obersontheimer verschiedene Phasen durchmachte. An manchen Tagen habe er sich koordiniert dem Drogenhandel gewidmet, dann wieder zeigte er mehr Interesse für seinen Immobilienhandel.
Der Backnanger sei nicht so genau beobachtet worden. Offensichtlich sei es aber gewesen, dass dieser trotzdem seinem Handel mit Autos nachging.

Plädoyer des Staatsanwalts

Nach der Befragung des Kripobeamten war es an Staatanwalt Jens Weise, seinen Schlussvortrag zu halten. „Die ihnen vorgeworfenen Taten haben sich bestätigt“, sagte er. Mit dem umfangreichen Drogenhandel hätten sich beide größtenteils ihren Lebensunterhalt verdient. Gut belegbar sei dank der Observierungen auch der Abnehmerkreis. Interessant sei aber noch die wirkliche Menge, die in dieser Zeit durch die Hände der Männer ging. „Ich gehe von den Mengen aus der Anklage aus“, so der Staatsanwalt. Laut dieser waren es rund 25 Kilo im Falle des Obersontheimers, rund 18 Kilo beim Backnanger.

Bis zu 15 Jahre Haft

Zwischen 1 und 15 Jahren Haft stehe auf den Tatbestand des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen. „Aber wir reden auch über Marihuana, ohne das jetzt zu verharmlosen“, fügte er hinzu.
Zu berücksichtigen seien die geordneten Verhältnisse der beiden Väter – und natürlich deren Geständnisse. „Aber die erheblichen Mengen bedeuteten ein Gefährdungspotenzial für viele Abnehmer“, gab Weise zu bedenken.
Er forderte für den Obersontheimer aufgrund der Handelsmengen eine Haft von sechs Jahren und sechs Monaten, für den Backnanger fünf Jahre und sechs Monate. Beide sollen in eine Entzugsanstalt eingewiesen werden.
Der Pflichtverteidiger des Obersontheimers schloss sich den Worten der Staatsanwaltschaft an. Es spiele am Ende auch keine Rolle, ob es 18 oder 22 Kilogramm gewesen seien. Wichtig sei ihm, dass das Gericht das Geständnis bei seiner Urteilsfindung berücksichtige. Im Gefängnis solle es sich herumsprechen, dass es sich lohne, auszupacken. Auch die Unterbringung in einer Entzugsanstalt hatte für ihn einen hohen Stellenwert. Ein Strafmaß gab er nicht an.
Auch die beiden Wahl- und der Pflichtverteidiger des Backnangers machten das nicht. Sie verwiesen ebenfalls auf das Geständnis, betonten, dass ihr Mandant keine Vorstrafen und ein Drogenproblem habe.
„Mir tut es sehr leid, dass ich hier sitzen muss“, nutzte ihr Mandant das letzte Wort. Er wisse, was er getan habe. Jetzt sei das einzig Wichtige für ihn, schnell zu seiner Familie zurückzukehren. Der Obersontheimer äußerte sich nicht weiter.
Nach nur einer Viertelstunde verkündete Richter Ilg das Urteil. Dass beide Angeklagte dieselbe Haftstrafe erhielten, obwohl durch die Hand des Backnangers weniger Cannabis gegangen war, dafür gab es einen Grund: Dieser sei der Lieferant gewesen. „Und wer weiter oben steht, wird härter bestraft“, so Ilg.
Er hielt den Männern vor, dass die Folgen ihrer Taten durchaus gesundheitliche Konsequenzen für ihre Abnehmer haben könnten – und die Dealer das in Kauf genommen hätten, um sich finanziell zu bereichern. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie wieder auf den richtigen Weg zurückfinden“, schloss Ilg die Verhandlung.

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