Wer die Auswärtspartie in Bonn im Stream oder Liveticker verfolgt hat, der wird sich wohl mehrmals ungläubig die Augen gerieben haben: „Träume ich gerade, oder ist das Wirklichkeit?“, dürfte sich da sicherlich mancher gefragt haben. Nicht nur, dass die Merlins am dritten Spieltag bereits ihren dritten Sieg feiern durften und aktuell Platz 2 inne haben. Das, was in Bonn passiert ist, war historisch: Noch nie hat eine Crailsheimer Mannschaft mit 32 Punkten Unterschied in der Bundesliga gewonnen – und das auch noch auswärts. „Hammer“, „ich bin sprachlos“, „was für ein geiles Spiel“ – überschlugen sich die Kommentare mit Lob und Glückwünschen für das Crailsheimer Team auf Facebook.
Vergleichbar ist so ein Kantersieg wohl mit einem 7:0- oder 8:0 beim Fußball. So zieht auch Crailsheims sportlicher Leiter Ingo Enskat nach dem überragenden Saisonstart seines Teams den Vergleich zur kickenden Zunft: „Was für den SC Freiburg in der Fußball-Bundesliga gilt, gilt auch für uns: Demütig bleiben. Am Ende ändert sich nichts, es ist einfach ein wichtiger Sieg für uns. Wir brauchen diese Siege und sind froh, dass wir sie einfahren konnten. Jetzt im nächsten Heimspiel gegen Göttingen wird es keinen Tick einfacher. Wir müssen genauso hart weiterarbeiten.“

15 von 24 Dreiern in Durchgang 1

Vor allem die Dreierquote der Merlins war am Samstagabend beeindruckend und wohl auch ein sehr wichtiger Schlüssel zum Auswärtssieg. 21 von 41 Versuchen fielen in die gegnerische Reuse, das entspricht unglaublichen 51,2 Prozent. „Wir haben in der Anfangsphase einfache Punkte liegen lassen, während Crailsheim sehr gut getroffen hat“ suchte Bonns Trainer Thomas Päch nach Erklärungen für dieses Debakel. „Daraufhin haben wir unseren Kopf verloren, waren zu hastig, sind falsch in der Defense rotiert, wodurch Crailsheim viele offene Würfe bekommen hat. Wir waren mental nicht auf der Höhe und haben nicht ansatzweise das gemacht, was wir machen wollten.“
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Auf der Gegenseite war die Stimmung nach dem Spiel logischerweise deutlich besser und so fiel das Fazit von Crailsheims Trainer Tuoams Iisalo auch entsprechend überschwänglich aus: „Das war ein unglaubliches Spiel von uns. 15 von 24 Dreiern in der ersten Halbzeit trifft man natürlich nicht jeden Tag.“ Vor allem im ersten Durchgang passte bei den Crailsheimern einfach alles, bei Bonn lief kaum etwas zusammen. „Wir haben immer den offenen Mann gefunden und sehr kollektiv gespielt, aber eben auch gut verteidigt. Natürlich bin ich sehr zufrieden mit der Leistung heute “

Drei Ex-Merlins bei Bonn

Mit Benjamin Lischka, Yorman Polas und Joshiko Saibou hatten die Bonner gleich drei Ex-Merlins im Kader vorzuweisen. Die Crailsheimer Basketballer zeigten sich von Beginn an hochkonzentriert und erspielten sich früh eine hohe Führung, die sie sich nicht mehr nehmen ließen. Gästecoach Tuomas Iisalo sah nach dem erfolgreichen Ligastart keinerlei Grund dafür, an seiner Anfangsformation etwas zu verändern. So schickte er die bewährte Starting Five, bestehend aus DeWayne Russel, Sebastian Herrera, Javontae Hawkins, Fabian Bleck und Aaron Jones, auf das Parkett.
Das Spiel wurde mit einem erfolgreichen Dreier von  Sebastian Herrera eröffnet, der damit den Grundstein für ein fulminantes erstes Viertel gelegt hat. Am Ende hatte der überragende Merlins-Kapitän 26 Punkte auf seinem Konto und war der „Mann des Abends“. Sechs weitere erfolgreiche Dreipunktwürfe in den ersten knapp sechs Minuten folgten und so stand es schnell 9:21. Doch auch zwei Timeouts von Baskets-Coach Thomas Päch halfen nicht, das Crailsheimer Feuerwerk vor 4800 beeindruckten Bonner-Fans im Telekom-Dome im ersten Viertel zu stoppen. So ging es mit einem 19:34 in die Pause. Unglaubliche 30 der 34 Punkte wurden dabei durch Treffer hinter der Dreipunktelinie erzielt. Besonders Jan Span stach dabei mit 14 Zählern heraus.
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Auch das zweite Viertel gehörte zunächst den Crailsheimer Korbjägern. 23:48 lautete der Zwischenstand nach zweieinhalb Minuten. Die Bonner kamen nun aber besser ins Spiel und verkürzten auf 31:50, was Coach Iisalo zur ersten Crailsheimer Auszeit zwang. Er schien die richtigen Worte gefunden zu haben, sodass die Merlins ihren Vorsprung wieder etwas nach oben schraubten und sich mit einem 58:35 absetzen konnten. Javontae Hawkins sorgte mit einem Dreier kurz vor Ablauf der Uhr für den 67:40 Halbzeitstand. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits fünfzehn erfolgreiche Dreier auf Crailsheimer Habenseite. Die Baskets hinkten stets ein oder zwei Schritte hinter den glänzend aufgelegten Gästen hinterher.

Nur kurzes Strohfeuer

Weiter ging es mit Durchgang zwei. Diesmal waren es die Hausherren, die zunächst den etwas besseren Start erwischten. Ein 49:72 war nach dreieinhalb gespielten Minuten im dritten Viertel auf der Anzeigetafel zu sehen. Doch die Crailsheimer Korbjäger gaben schnell wieder den Ton an, hatten auch hier die passende Antwort parat und drehten nochmals richtig auf. Angeführt vom Kapitän Sebastian Herrera zogen die Zauberer Punkt um Punkt auf 40 Zähler davon. Mit einem klaren 57:93 ging es schließlich in die letzte Viertelpause. Dies war sicherlich auch ein Verdienst der intensiven Merlins-Defense.
Angesichts des Spielstandes ließ die Intensität im letzten Spielabschnitt auf beiden Seiten etwas nach. Aaron Jones war es, der noch in der ersten Hälfte des letzten Viertels die 100-Punkte-Marke für die Merlins als Sahnehäubchen per Dunking knackte. Zumindest die Bonner Bojan Subotic und Benjamin Lischka stemmten sich gegen die höchste Heimpleite der Vereinsgeschichte und schafften es wiederholt, in Brettnähe zu punkten – letztlich aber vergeblich. Die Zauberer ließen nun nichts mehr anbrennen und brachten einen überzeugenden und vor allem in dieser Höhe überraschenden 114:82-Auswärtssieg über die Bühne.
„Tolle Leistung der Mannschaft. Mehr kann man dazu glaube ich gar nicht sagen“, so das prägnante Fazit von Ingo Enskat nach dem historischen Sieg.  „Vor allem das Trainerteam Tuomas und Joonas Iisalo macht derzeit einen tollen Job. Gemeinsam mit der Mannschaft bilden sie eine tolle Einheit. Wie die sich auf der ganzen Fahrt präsentieren, spiegelt sich dann eben auch im Spiel wider.“

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So spielten sie

Bonn – Crailsheim

82:114

Bonn: Subotic (14), Poals (11), Lischka (9), Breuning (8), Saibou (7), McKinney-Jones (7), Frazier (7), Simons (7), Zimmermann (6), Dileo (4), Oliveira (2)
Crailsheim: Herreira (26), Span (19), Hawkins (19), Morgan (11), Russell (10), Bleck (10), Jones (9), Ford (6), Kovacevic (4), Carpenter
Viertel: 19:34, 21:33, 17:26, 25:21
Rebounds: 34:31
Freiwürfe: 18:19
Dreier: 6:21

Info

Die Merlins schrammten bei diesem Auswärtserfolg mit einundzwanzig verwandelten Dreiern nur um zwei erfolgreiche Dreipunktewürfe am Ligarekord des FC Bayern München für erzielte Dreier in einem Spiel vorbei.