Zwei junge Männer, die von der Polizei schon bei Bremen mit hochpreisigen Baumarkt-Artikeln angetroffen wurden, haben im Herbst im Personal des „Bauhaus“ in Balingen sozusagen ihre „Meister“ gefunden. Sie wurden am Dienstag im Amtsgericht Hechingen wegen versuchten schweren Bandendiebstahls zu je eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Damit folgte das Gericht dem Plädoyer der Staatsanwältin.
Zufällig in zivil
Nachdem der 19-jährige Rumäne und der 24-Jährige aus der Republik Moldau sich am Nachmittag des 22. September 2022 im Baumarkt auffällig verhalten hatten, handelte die stellvertretende Geschäftsführerin, die gerade „zufällig in zivil“ im Markt war, blitzschnell: „Ich hab sofort meinem Geschäftsführer Bescheid gesagt“, sagte die 31-Jährige als Zeugin. Dieser und ein weiterer Mitarbeiter streiften ihre Baumarkt-Westen ab und hefteten sich unauffällig an die Fersen der fünf jungen Männer, die in zwei Gruppen durch den Markt geisterten und wahllos hochpreisige Geräte und Maschinen in Wägen packten. Diese hatten sie mit Arbeitsjacken ausgekleidet; in einem Wagen war ein leerer Umzugskarton.
Die stellvertretende Bauhaus-Geschäftsführerin, Rebecca Steimle, eilte selbst nach draußen und konnte vom Gehweg aus durch den Zaun beobachten, wie mehrere Männer die Schleifmaschinen, Technik für den Garten und weitere Maschinen in den Außenregalen gut versteckten; auch hinter riesigen Blumenkübeln und in Gartenkisten. Die Artikel hatten einen Wert von mehreren tausend Euro und sollten später vermutlich in einer Kleinanzeigen-Börse weiterverkauft werden. Sie wurden nahe des vier Meter hohen Zauns im Außenbereich deponiert, um sie in einer nächtlichen Aktion abzutransportieren. Das flog auf, als der Geschäftsführer die Täter zur Rede stellte und die Polizei rief.
„Wir haben noch zwei Tage später versteckte Sachen gefunden“, berichtete Steimle, die von der polizeibekannten Versteck-Masche wusste und das auffällige Verhalten der Männer bemerkt hatte. „Das gehört leider schon zum Alltag“, sagte sie auf Anfrage nach der Verhandlung. Der Zaun sei schon früher nachts aufgeflext worden. „Aber so eine große Aktion mit fünf Leuten habe ich noch nicht erlebt.“
Voller Einkaufswagen
Die beiden Angeklagten machten vor Gericht keine Aussagen zur Tat. Wie bekannt wurde, wird gegen einen dritten Komplizen noch ermittelt. Die zwei übrigen Männer aus Balkanstaaten, die dem Hausverweis durch den Geschäftsführer widerwillig Folge geleistet hatten, blieben unbekannt. Der Rumäne und der Moldawier dagegen, die offenbar einen vollen Einkaufswagen an ihre Komplizen abgegeben hatten und dann wahrscheinlich Schmiere standen, machten vor dem Jugendschöffengericht nur Angaben zu ihrer Person.
Der 19-jährige Rumäne, der seit September im Stuttgarter Gefängnis sitzt, wurde nach Jugendstrafrecht zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. „Sie sind bandenmäßig, professionell und arbeitsteilig vorgegangen“, sagte Richterin Dr. Karin Laub. Der ungelernte Jugendliche ohne Ausbildung oder legale Arbeit habe „schädliche Neigungen“. Er lebe aber auch meist „in den Tag hinein“, wie die Jugendgerichtshilfe vorgetragen hatte. Er sei von anderen Menschen abhängig und deshalb nach Jugendstrafrecht zu behandeln. Auf ihn könne am besten in einer Jugendvollzugsanstalt eingewirkt werden, wo er einen Sprachkurs machen und eine Ausbildung beginnen könne, um später „ein Leben ohne Straftaten“ zu führen.
Sein Verteidiger, Carsten Kühn aus Balingen, hatte auf Freispruch plädiert. Denn es habe sich höchstens um eine vorbereitende Handlung und noch nicht um einen Versuch des Bandendiebstahls gehandelt. Zudem wäre der Diebstahl wohl nicht geglückt, da der Zaun vier Meter hoch sei, zudem an einer auch nachts belebten Kreuzung. Die Entscheidung, über die sogenannte „Jetzt-geht‘s-los“-Schwelle zu gehen, sei nicht gefallen, sagte Kühn.
Ebenfalls auf Freispruch plädierte Verteidiger Axel Kästle aus Albstadt für den 24-jährigen Vater aus Moldawien, der seit 22. September in der Justizvollzugsanstalt in Hechingen in Untersuchungshaft ist. Kästle räumte ein, dass sich die Tat so abgespielt haben kann, wie die Staatsanwältin sagte. „Es kann aber auch anders gewesen sein.“ Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat sei nicht gegeben. Dies habe auch die Aussage eines Bauhaus-Mitarbeiters bestätigt, der die beiden Männer nur herumstehen sah.
Die Richterin sah den Versuch als erwiesen an, auch wenn es sich um einen „juristischen Grenzbereich“ handle (siehe Infobox). Eindeutig hatten die Männer die Artikel gut versteckt, was der erste Schritt zum Diebstahl war. Auch für den Moldawier – einen arbeitslosen Maler – sei die Sozialprognose schlecht, weswegen eine Bewährung für die jungen Männer – auch wenn sie nicht vorbestraft waren – nicht infrage kam. Beide bleiben in Haft – sonst sei die Gefahr groß, dass sie sich „der Strafe entziehen“, sprich: aus dem Staub machen. Zwar sei kein Schaden entstanden, jedoch hatte die Beute einen erheblichen Wert, erklärte die Richterin. Während der ältere Mann die Kosten des Verfahrens trägt, wurden diese dem jüngeren nicht auferlegt.
Wo ist die „Jetzt-geht‘s-los“-Schwelle ?
Mit der „Schwelle zum jetzt geht‘s los“ wird unter Juristen der Zeitpunkt einer Tat gemeint, an welchem der Täter oder die Täterin von keiner weiteren Handlung in seinem Gedankengang ausgeht, bevor er zur Tat ansetzt – wenn er oder sie eben denkt: „Jetzt geht‘s los“ und die Entscheidung zur Ausführung der Tat erfolgt ist.
Eine reine Vorbereitungshandlung ist demgegenüber das, was die Ausführung der (für eine später geplante) Tat nur ermöglichen oder erleichtern soll. Die Strafbarkeitsschwelle im deutschen Strafrecht setzt grundsätzlich erst mit dem Versuchsstadium ein, die Vorbereitung ist im Normalfall nicht strafbar.