Rinder sind achtsam, haben schon bei kleinsten Änderungen auf dem Hof Stress; etwa, wenn ein fremdes Auto oder ein Unbekannter da ist. „Und die anderen riechen das“, sagt Maximilian Sauter aus Ratshausen. Der Koch, der sich in der IG „Schlachtung mit Achtung“ engagiert, hat vor drei Jahren eine Metzgerlehre absolviert und weiß, wovon er spricht. Denn ein Student der Uni Hohenheim habe auf dem Hof, den Sauter mit einem Freund bewirtschaftet, in Blutproben der Tiere von verschiedenen Zeitpunkten und nach verschiedenen Aktivitäten das Cortisol-Level bestimmt.
„Es ist interessant, wie viel Stress in so einem Tier in kürzester Zeit da sein kann“, sagt der 30-Jährige. Sauter fühlt sich auch durch die Ergebnisse der Uni Hohenheim in seinem Engagement für die Hofschlachtung bestätigt. Denn die Todesangst beim Transport durch Deutschland oder gar ins Ausland zu einem Schlachthaus sei gar nicht auszumalen. Außer ethischer Bedenken spreche auch die Produktqualität für eine hofnahe Schlachtung: „Beim Tiertransport wird so viel Energie in den Muskelzellen verbraucht, dass das Fleisch qualitativ schlechter wird.“

Leid der Tiere minimieren

Zwischen 80 und 90 Rinder schlachtet Sauter im Jahr selbst – mit einem Minimum an Leid, wie er hofft. „Es ist immer der Faktor Mensch, der ausschlaggebend ist.“ Sehr wichtig sei es, nie in Routine zu verfallen. „Ich muss immer mit Demut rangehen, vorsichtig sein.“ Auf seinem Hof kommt das Konzept mobiler Schlachteinheiten zum Einsatz, das über die Firma MST Mobile-Schlachttechnik aus Kandern (Kreis Lörrach) vertrieben wird.

Gewöhnt an die Fangbox

Vorher wird das Rind an eine Fangbox gewöhnt, in der es zum Fressen geht. „Mit Geduld kriegt man früher oder später jedes Tier dazu“, versichert Sauter. Am Schlachttag legt sich ein Metallbügel um den Hals, sobald der Kopf des Viehs weit genug vorne ist. Der Landwirt setzt dann das Bolzenschussgerät an die Stirn und drückt ab. Betäubt bricht das Tier zusammen, wird in der Box sofort auf Schienen in einen Hänger gezogen, und nach einem gezielten Schnitt am Hals blutet es in einigen Sekunden aus und stirbt.
Sauter ist überzeugt, dass dies die einzige Methode ist, die auch im größeren Stil betrieben werden kann. Dass jeder zehnte Bolzenschuss schiefgehe, wie Kritiker sagen, stimme vielleicht in einem herkömmlichen Schlachthaus, jedoch nicht bei ihm. „Aber wie gesagt, der Faktor Mensch ist ausschlaggebend.“ Wenn ein Schuss tatsächlich einmal nicht betäubt, könne er schnell einen zweiten setzen. Das Rind sei im Notfall schnell geschlachtet.
Eine andere Hofschlachtungsart ist die des Kugelschusses, der sich Ernst Hermann Maier aus Balingen-Ostdorf verschrieben hat. Er ist ein bekannter Pionier auf dem Gebiet der Hofschlachtung, der seit 1986 nach einem unschönen Vorfall mit einem Bullen strikt gegen Tiertransporte ist.

Schuss ohne Berührung

In seiner Stube am Hof, auf dem etliche Modelle von mobilen Schlachtanhängern ausgestellt sind, hängen drei präparierte Rinderköpfe an den Wänden. Der Aktivist hat jahrzehntelang gegen die Mühlen der Bürokratie gekämpft und die Tierschutzorganisation Uria gegründet. Für ihn und Tochter Annette, welche die Landwirtschaft übernommen hat, ist der Kugelschuss die einzige Methode, bei der das Tier völlig angstfrei betäubt wird, weil es nicht fixiert und nicht berührt wird. „Die Belastung mit Stresshormonen ist beim Bolzenschuss in einem Fangmodul nach den Ergebnissen der Uni Hohenheim über fünfmal höher als beim fachgerecht ausgeführten Kugelschuss.“
Geschossen wird bei Maier mit einer schallgedämpften Waffe aus kurzer Entfernung. Der Landwirt und seine Tochter schlachteten nicht vorwiegend aus kommerziellen Gründen, sondern um die Herdengröße beizubehalten. Intensives Beobachten und Wissen über die Herde führe zu einer „schonenden Entnahme, in der das soziale Gefüge berücksichtigt wird“, sagt die Diplom-Agraringenieurin.

Wie die Herde mit der Schlachtung umgeht

Das Vieh halte es für normal, dass ab und zu ein Artgenosse fehlt. In der 2010 von der Firma Agrima GmbH ihres Bruders Edgar Maier entwickelten und gebauten Box namens MSB II A werde das durch den Schuss betäubte Tier getötet, indem die beiden Halsschlagadern geöffnet werden und es deshalb durch Blutentzug stirbt. Edgar Maier hat zusätzlich ein spezielles Fressgitter für die Bolzenschuss-Methode entwickelt.
Dass in Deutschland Schwung ins Thema Tierwohl gekommen ist, freut sowohl Maiers als auch Sauter. Letzterer hat bereits überlegt, wie ein Schlachthaus aussehen und gebaut werden müsste, das auf seine Methode ausgelegt ist und in das Landwirte getötetes Vieh anliefern könnten. Allein, es wäre extrem teuer. Maiers Sohn baut derweil bereits die ersten mobilen Schlachtanhänger für drei Rinder gleichzeitig.

Schlachttiere gehören nicht auf die Straße

Einig sind sich die engagierten Landwirte im Zollernalbkreis: „Schlachttiere gehören nicht lebend auf die Straße“, sagt Maier. Er ärgert sich, dass Behörden Landwirten, die es ihm nachtun wollen, immer noch viele Steine in den Weg legen und die nötigen Waffenbesitzkarten verweigern, obwohl ein Sachkundelehrgang absolviert wurde. Allein im Zollernalb-Kreis gebe es inzwischen zwölf Sachkundige, die den Kugelschuss durchführen dürfen. Die EU erlaube die Hofschlachtung seit vielen Jahren. Erst 2021 habe sie die Hygieneverordnung ergänzt, die nun verschiedenste Schlachtboxen ermöglicht.
Sauter ist überzeugt: „Fleisch muss erst wieder einen ganz anderen Stellenwert bekommen.“ Tierwohl müsse und dürfe mehr Geld wert sein. „Auch wenn man sich Fleisch dann nur noch selten leistet.“ Der Verbraucher solle für teures Fleisch auch „ein Interesse daran haben, was mit den Tieren passiert“.

Mehr aus dem Zollernalbkreis

Am 10. April ist es zu einer schweren Kollision auf der L415 gekommen. Die Polizei sperrte gegen 16 Uhr den Unfallort ab. Mehr dazu lesen Sie hier:

Mehr Interesse an mobiler Schlachtung

Dem baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium zufolge gibt es im Südwesten 32 genehmigte mobile Schlachtanlagen, die meisten für Rinder. Auch bundesweit nimmt das Interesse an den Anlagen zu, teilt der Verband der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung (VHLF) mit. Statistiken gebe es nicht, die Zahl mobiler Schlachteinheiten aber wachse.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) plant, die mobile Schlachtung von Tieren auf Bauernhöfen auszubauen. Allerdings stehe dem Vorhaben die rückläufige Zahl von Schlachtbetrieben entgegen, heißt es vom VHLF. Denn auf Schlachthöfe in der Nähe sind die Landwirte angewiesen, wenn sie das tote Tier in 90 Minuten zur Weiterverarbeitung bringen müssen. dpa