Die positiven Begleiterscheinungen einer musikalischen Ausbildung sind unter Eltern legendär, weshalb wohl so manche Hobbykarriere noch vor Geburt beschlossen ist: Das Erlernen eines Instruments fördert die kognitive Entwicklung. Dazu kommt der kreative Faktor, denn das freie Ausprobieren beflügeln den Geist, reduzieren Stress und fördern das Selbstvertrauen.
So oder so ähnlich könnte man jetzt noch über die Effekte in der sozialen Entwicklung weiter referieren – aber das führt zu weit, weil diese ganze wunderbare Theorie in den allermeisten Familien allwöchentlich mit der nüchternen Realität kollidiert: Nach dem Musikunterricht landet das teuer erstandene Instrument in der dunkelsten Ecke des Kinderzimmers, woraufhin Eltern die restliche Woche über ihre alte Leier auspacken („Hast du heute schon geübt?“).
Die Diskussionen können auf beiden Seiten mürbemachen – sie müssen es aber nicht. Dazu eine grundlegende Weisheit von Eva-Maria Ferber, Lehrkraft an der Jugendmusikschule Balingen: „Ich habe noch nie ein Kind kennengelernt, das von ganz allein übt. Deshalb sage ich Eltern immer, dass es ganz klar ihre Aufgabe ist, das Kind zum Üben zu bringen.“
Gleichzeitig mahnt sie – quasi als fundamentalen Rat für jede gute Übungsroutine – keine voreiligen Entscheidungen für den Nachwuchs zu treffen. Denn ausschlaggebend für Erfolg ist wenig überraschend die richtige Wahl: „Es hat keinen Sinn, das Kind Geige spielen zu lassen, weil man selbst Geige mag“, sagt die Musiklehrerin. „Da hilft nur, so viel wie möglich ausprobieren zu lassen, bis das Kind von sich aus entscheidet.“
Auch sollte man sich von der Vorstellung trennen, dass einige Instrumente schwerer zu spielen seien als andere. Zwar fördern jene mit geringeren Anlaufschwierigkeiten die anfängliche Euphorie. Doch ist das Anfängerniveau einmal überschritten, wird echte Virtuosität sogar auf der Blockflöte zu einer Ansage.
Schwer exotisch
Obwohl im Aufbau mit seinem filigranen Metallgestänge recht kompliziert anmutend, lassen sich aus Eva-Maria Ferbers Instrument – das Fagott – schnell saubere Töne produzieren. Scheu sei also nicht angebracht, dennoch melden sich an der Jugendmusikschule kaum Kinder für ihren Unterricht an. „Auch viele Erwachsene kennen das Instrument nicht, woher sollen also die Kinder davon wissen“, erklärt Ferber die spärliche Nachfrage.
Ihre Unterrichtsgruppe setzt sich gegenwärtig aus drei Schülern zusammen. Und weil die sich ganz bewusst für diesen Exoten entschieden haben, arbeiten sie alle mit unvergleichlicher Disziplin tagtäglich an ihren Fähigkeiten. Könnte man jedenfalls meinen, aber diese Mutmaßung bringt Eva-Maria Ferber nur zum Lachen: „Das läuft wie bei jedem anderen Instrument auch. Kinder versuchen immer, ihre Eltern auszutricksen.“
Um langwierige Diskussionen zu vermeiden, sei es sinnvoll, möglichst von Beginn an eine Routine aufzubauen. Feste Übungszeiten sollten so verankert sein wie das tägliche Zähneputzen, über die man schließlich auch nicht diskutiere. Wie lange die Übungszeiten ausfallen, sollte das Kind mitverhandeln dürfen: In jedem Fall bewähren sich tägliche 15 Minuten mehr als eine geballte Stunde pro Woche. Weniger als eine Viertelstunde sollte es laut Ferber dann aber auch nicht sein. Bei jungen Kindern lehrt die Erfahrung, dass elterliche Aufmerksamkeit, so grausam das Hörerlebnis noch sein mag, die Motivation fördert. Wie also auch das Kind, können Eltern versuchen, ausgehandelten Übungszeiten in den Tag einzuplanen.
Fehlt es dann immer noch an Elan, liege das häufig an einer Frustration ob der ausbleibenden Erfolgserlebnisse: „Kinder haben die Tendenz, immer von vorne anzufangen, und dann bis zum Fehler zu spielen. Und dann geht es wieder von vorne los“, erzählt Eva-Maria Ferber. „Üben ist aber nicht gleich Durchspielen.“ Um hörbare Erfolge zu erzielen, sollten stattdessen gezielt kurze Abschnitte einstudiert werden, bis sich am Ende das Stück zusammensetzen lässt.
Eine solche Routine sollte bis zum Alter von 13 bis 14 Jahren gut umsetzbar sein. Dann aber sei bei den meisten Jugendlichen mit einem veritablen Durchhänger zu rechnen. In der Pubertät liege erneut viel an den Eltern, wie sich das Kind musikalisch weiterentwickeln wird.
Die Musikschullehrerin rät, den Unterricht für den Teenager nicht sofort zu streichen, selbst wenn das Instrument abseits der Schulstunden quasi unberührt bleibt – schließlich spiele das Kind dann immerhin noch ein Mal die Woche. Druck oder Streit können dem musikalischen Werdegang ein jähes Ende versetzen, in dieser Phase lohne sich deshalb elterlicher Stoizismus. „Die meisten kriegen mit 16 oder 17 dann wieder die Kurve“, beteuert Fäber.