Dicht an dicht sitzen die Bienen beieinander, halten ihre kleinen Körper in Bewegung – die Nacht war frostig kalt. „Die Bienen bilden eine sogenannte Wintertraube, um sich und ihre Königin warmzuhalten“, sagt Nick Leukhardt. Er ist beim Verein Mellifera in Rosenfeld für Öffentlichkeitsarbeit zuständig und hat ein Holztürchen geöffnet – durch ein Sichtfenster ist das Innere des Bienenstocks zu sehen. Mellifera setzt sich seit langem für Bienen, weitere Insekten und Biodiversität ein, das vom Verein initiierte „Netzwerk Blühende Landschaft“ wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Den Mitgliedern ist es wichtig, Menschen für Insekten zu begeistern – und dafür, die Lebensräume der kleinen Tiere zu gestalten. Das geht auch im Winter.
„Einige Insekten überwintern als ausgewachsenes Insekt, viele sind als Larve, Ei oder Puppe quasi in Winterstarre“, sagt die Geo-Ökologin Marie Holler, die im Netzwerk als Referentin arbeitet. Einen Zitronenfalter könne man in der kalten Jahreszeit auch mal reglos in der Ritze einer Gartenhütte finden. „Der Schmetterling hat eine Art Frostschutzmittel entwickelt und kann Temperaturen von bis zu minus 20 Grad unbeschadet überstehen“, sagt Holler. „Andere Arten ziehen sich mehr zurück und verbringen den Winter geschützt schlafend.“
Marienkäfer: Winterschlaf im Laub
Weil die Insekten auf vollkommen unterschiedlichen Wegen überwintern, gibt es nicht die eine Antwort auf die Frage, was Menschen in der kalten Jahreszeit zu ihrem Schutz unternehmen können. „Die meisten Wildbienen legen ihre Eier im Boden ab und gehen dafür gerne auch mal in alte Pflanzenerden“, sagt Holler: „Deshalb ist es ratsam, zum Beispiel alte Pflanztöpfe und Balkonkästen im Winter in Ruhe zu lassen.“ Auch in Totholz, stehengelassenen Pflanzenstängeln – etwa von Königskerzen – und Blumentöpfen können Insekten überwintern. Dasselbe gilt für Laubhäufen, die unter anderem Marienkäfern als Platz für ihren Winterschlaf dienen.
Das Netzwerk Blühende Landschaft bietet online ausführliche Empfehlungen für Heimwerkerinnen und Hobbygärtner – und das für alle vier Jahreszeiten. Bis Ende Februar können demnach zum Beispiel „Gehölze aller Art noch zurückgeschnitten werden“. Am besten seien dafür frostfreie Tage geeignet. „Im März beginnt die Vogelbrutsaison, die nicht durch einen Großeinsatz an Gehölzpflege gestört werden sollte“, erklärt Holler. Wer Bäume oder Büsche beschneidet, kann den Gehölzschnitt an einer schattigen Stelle auftürmen, sodass ein neuer Lebensraum entsteht.
Verhindern, dass Insekten ertrinken
Die Geo-Ökologin weiß, dass es vielen Hobbygärtnern bei etwas höheren Temperaturen im Februar „schon in den Fingern“ juckt, weil sie mit der Gartenarbeit loslegen wollen. Wer sehr früh beginne, könne „den Insekten damit aber buchstäblich ihre Winterdecke wegziehen“.
Laut Holler ist der Winter eine gute Zeit, um sich Gedanken darüber zu machen, „wie ich den Garten gestalten will – für mich, aber auch für Insekten“. Wasserstellen etwa gibt es in vielen Gärten für Vögel – Bienen und andere Insekten können aber ertrinken, wenn sich darin keine Steinchen oder andere Hilfsmittel befinden, mit deren Hilfe sie in Sicherheit trinken und notfalls aus dem Wasser klettern können.
Auch bei anderen Plänen können Heimwerkerinnen und Heimwerker Insekten berücksichtigen. Wer vorhabe, eine brüchige Mauer auszubessern, könne zum Beispiel „darauf verzichten, jedes Loch mit Zement zu füllen“, sagt Holler. Sehr wichtig sei es auch, sich Gedanken „über eine nachhaltige Wiesenpflege“ zu machen, denn: „Solche Offenlandbiotope können extrem artenreich sein und sind sozusagen unser Regenwald in Europa.“ Oft sei es für die Insekten gut, wenn die Menschen „im Garten weniger eingreifen“ – etwa im Sommer nicht alle zwei Wochen mähen, sondern nur wenige Male im Jahr.
Studie: Insekten-Biomasse hat abgenommen
Vor allem auf dem Land führen Gärten, die ungepflegt wirken, allerdings noch häufig zu Debatten. Das weiß auch Holler: „Manchmal habe ich das Gefühl, den Menschen ist es wichtiger, es dem Nachbarn recht zu machen, als sich selbst“, sagt die Referentin. Und: „Die Natur ist von sich aus auch nicht ordentlich gepflegt.“
In Sachen Insektenschutz haben sich Wahrnehmung und Verhalten der Menschen laut Holler „in den vergangenen Jahren stärker verändert“ – nach der Veröffentlichung der sogenannten „Krefelder Studie“ im Jahr 2017. Die wissenschaftliche Untersuchung konnte zeigen, dass die Gesamtzahl der Fluginsekten-Biomasse in mehreren deutschen Schutzgebieten innerhalb von 27 Jahren deutlich gesunken war. Unter Fachleuten wurde viel über die Methodik der Studie gestritten, gleichzeitig gilt sie aber als die umfassendste Untersuchung ihrer Art in Deutschland.
Der Verein Mellifera bietet auch in Rosenfeld Seminare und Kurse an, um die Menschen über Insekten zu informieren. So gibt es in der zweiten Jahreshälfte Besuchstage in der Imkerei Fischermühle in Rosenfeld. Auch bei der Gartenschau 2023 in Balingen sei der Verein dabei, sagt Sprecher Nick Leukhardt: „Dafür haben wir unter anderem eine Trockenmauer gebaut, in der nicht alle Ritzen ausgefüllt sind.“ Die Besucherinnen und Besucher können sich so vor Ort selbst ansehen, wie genau sie Insekten schützen können.
Große Unterstützungswelle für den Verein
Der Verein Mellifera setzt sich seit mehr als 30 Jahren für eine wesensgemäße Bienenhaltung ein und fördert den Schutz von Insekten. Ende 2022 war der Verein allerdings selbst auf dringende Unterstützung angewiesen, weil er in eine finanzielle Schieflage geraten war.
Eine Insolvenz konnte aufgrund vieler Unterstützerinnen und Unterstützer verhindert werden: Innerhalb von vier Wochen sammelte der Verein 90 000 Euro an Spenden. Nun gehe es daran, Mellifera „zukunftssicher zu machen“, sagt Sprecher Nick Leukhardt. Der Verein hat einen Sanierungsplan entwickelt, unter anderem wird die Erwerbsimkerei in Rosenfeld verkleinert.