Es gibt keine Entlastung. Immer neue Pakete kommen obendrauf“, schimpft Jens Meiser. Der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Carl Meiser aus Albstadt zählt eine Litanei von Regulierungen, Bestimmungen und Gesetzen auf. „In Betrieben des familiengeführten Mittelstands landen diese Themen am Schluss alle beim Geschäftsführer. Und der läuft Gefahr, dadurch die wichtigen Dinge zu verpassen.“
Schwerer Stand
Kosten und Sicherheit der Energieversorgung, Regulierung und Nachhaltigkeit waren Themen, über die teilweise leidenschaftlich diskutiert wurde. „Die hohen Energiepreise sind für uns ein massiver Standortnachteil“, machte Mathias Eschler deutlich. Von seinen Unternehmer-Kollegen bekam er deutliche Unterstützung. „Nach dem Beschluss, die Kernkraftwerke abzuschalten, wurde es verpennt, Alternativen aufzubauen“, sagte Florian Mey. Es sei beschämend, wie wenig Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden installiert seien im Gegensatz zu solchen von Unternehmern, merkte Jens Meiser an. „Wo hält der Staat noch Schritt? An wem nimmt er sich ein Beispiel?“, fragte Jörg-Peter Mehrer. Der Unternehmer nannte das Beispiel Steuerprüfung: Obwohl alle Daten vorliegen würden, dauere diese genauso lange wie früher.
Christian Kühn, Grünen-Bundestagsabgeordneter sowie Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, hatte in dieser Runde einen schweren Stand. Als Umwelt-Fachmann sah er sich in der Situation, auch die deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik zu erklären und zu verteidigen.
Kühn war am Mittwoch auf Wahlkampftour für die Grünen-OB-Kandidaten in Balingen und Albstadt. In Balingen machte er deutlich, dass der Transformationsprozess die Gesellschaft hart fordern werde. Dabei gehe es um die Energieversorgung, aber auch um die technischen Entwicklungen, die Digitalisierung.
Der Balinger Grünen-OB-Kandidat Erwin Feucht hatte den Termin der vier Unternehmer mit dem Parlamentarischen Staatssekretär eingefädelt. Man traf sich bei Eschler Textil im Teilort Frommern. Gastgeber dort war Mathias Eschler. Sein Unternehmen ist auf technische Textilien spezialisiert. Mit dabei waren auch die Familienunternehmer Jens Meiser (technische Textilien, Albstadt), Jörg-Peter Mehrer (Kolben- und Membranenkompressoren, Balingen) sowie Florian Mey (Wäsche, Albstadt).
„Mehr Vertrauen“
Deutlich wurde bei diesem Treffen auch, dass sich die Unternehmer durch eine Vielzahl von Bestimmungen an einer kurzen Leine fühlen. „Schenken Sie Unternehmern mehr Vertrauen“, forderte Mathias Eschler in die Runde. „Familienunternehmen wissen schon, was zu tun ist“, behauptete Jens Meiser.
Dem Vorwurf der Unternehmer, die Politik agiere in einigen Bereichen zu träge, entgegnete Christian Kühn mit dem Hinweis auf das schnelle Handeln bei der Genehmigung und dem Bau der Flüssiggas-Terminals an deutschen Küsten. Die Ampel-Koalition habe in diesem Punkt pragmatisch und schnell entschieden. Das solle als Blaupause für weitere Entwicklungen gelten.
Dass die Politik Krisen bewältigen könne, werde an zwei Dingen deutlich, so der Staatssekretär: Deutschland müsse diesen Winter nicht frieren; zum befürchteten Einbruch der Wirtschaft komme es nicht. Um Entwicklungen einen Rahmen zu geben, brauche es allerdings Regulierung, so Christian Kühn. Der Staatssekretär räumte ein, dass es hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur Nachholbedarf gibt. „Aber wir können nicht alles auf einmal angehen, wir müssen gewisse Dinge beschleunigen, andere nicht.“ Die Sanierung von Brücken beispielsweise stehe weit oben auf der Prioritätenliste – ebenso der Ausbau erneuerbarer Energien und der Netze.
Leistungsträger erkennen
„Das müssen wir uns auch alles leisten können“, wandte Florian Mey ein. „Der Staat muss umdenken und erkennen, wer die Leistungsträger sind“, betonte Jens Meiser. Viele Regularien würden mit Blick auf die internationalen Konzerne gemacht. Die aber würden immer wieder Lösungen finden. Mittelständler dagegen hätten weniger Ausweichmöglichkeiten. „Wir haben das Gefühl, man traut uns nicht mehr. Aber wir sind keine Unmenschen“, sagte Florian Mey. Nach seinem Empfinden gehe das Gefühl verloren, dass es eine starke Wirtschaft ist, die ein starkes und gesundes Land ermöglicht.
Meiser und Mey machten bei der Diskussion deutlich, dass der Mittelstand nicht weiter durch Regulierungen belastet werden dürfe. Werde der Standort Deutschland weiter in die Zange genommen, mache dies Unternehmen kaputt. „Wenn wir es nicht mehr machen können, dann machen es andere Länder, ohne CO2-Bepreisung“, mahnte Mathias Eschler. Florian Mey pflichtete ihm bei: „Der Planet ist rund. Irgendeiner tut es immer.“
Der Mittelstand: Eigentum, Kontrolle und Leitung
Den Mittelstand kennzeichnen laut einer Definition des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) wirtschaftliche und rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens, sowie die Verflechtung von Eigentum, Kontrolle und Leitung.
Rund 95 Prozent aller Unternehmen in Deutschland seien laut einer Studie Familienhand. Eines ihrer Merkmale ist, dass sie langfristig, stabil und unabhängig wirtschaften.
Familienunternehmer hätten die nächste Generation im Blick, nicht den Quartalsabschluss. Entscheidend sei, wie das Unternehmen am besten an den familieninternen Nachfolger übertragen werden kann. Dieser Gedanke bestimme Handeln und Strategie.
Stark regional verwurzelt – auch das zeichnet den Mittelstand aus. Daher beschäftigen und investieren Mittelständler lokal.
Langfristig wettbewerbsfähig sei der Mittelstand, weil er auf Innovationen setzt und in Forschung und Entwicklung investiert, macht der BDI deutlich.
Für Nachwuchs sorgt der Mittelstand, indem er selbst ausbildet. Rund 84 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland sind in kleinen und mittleren Unternehmen beschäftigt.
Der Mittelstand gilt als Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor. Er sei die treibende Kraft bei Innovationen. Mehr als 99 Prozent aller Betriebe zählen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Diese stellen mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze und erwirtschaften dabei mehr als jeden zweiten Euro.
Für die Bundesregierung zählen alle Unternehmen mit bis zu 499 Beschäftigen und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz zu den KMU. just