Schon vom Parkplatz aus sieht man den ersten Hirsch auf der eingezäunten Wiese. Mit seinem ausladenden Geweih und dem braunen Fell ist er auf dem schneeweißen Boden gut zu erkennen. Langsam schreitet er auf den Zaun zu. Er weiß genau, was sich in der blauen Tupperdose befindet, die die 27-jährige Lisa Eberhart unter dem Arm trägt: ein schmackhafter Snack. Zuckerrüben, um genau zu sein. Eine nach der anderen hält sie ihm hin.
Eberhart ist eine von 18 Ehrenamtlichen vom Verein Wildgehege Meßstetten, die sich um die rund 70 Tiere im gleichnamigen Wildgehege kümmern. Auf dem 200 000 Quadratmeter großen Gelände wohnen Hirsche, Rehe, Wildschweine, Mufflons, Ziegen und ein Pfauenpaar. Alle Interessierten können das Gehege kostenlos besuchen und auf dem Rundweg zwischen den abgetrennten Bereichen die Tiere beobachten. Wer sich bei den Waldbewohnern besonders beliebt machen will, zieht aus einem der umgebauten Zigarettenautomaten speziell gemischtes Futter.
Wildgehege Meßstetten: Futter-Boxen kommen bei Besuchern gut an
„Das kommt richtig gut an“, sagt Eberhart. An Wochenenden müssten die Vereinsmitglieder oft mehrmals am Tag die Automaten auffüllen. Für die Ernährung sind die Tiere aber nicht auf die Besucherinnen und Besucher angewiesen. Auch die Ehrenamtlichen kümmern sich darum, dass ihre Schützlinge gut durch den Winter kommen.
Ende Oktober ist „Rübentag“, erzählt die 27-Jährige. Ein Lkw liefert 13 Tonnen Zuckerrüben an. „Dann heißt es schippen.“ Das Futter wird auf Häuschen auf dem Gelände verteilt. In den Holz-Hütten lagern die Rüben im Boden. Daneben stehen blaue Plastikfässer mit einer Apfel-Hafermischung. Sie erinnert ein wenig an das Fruchtmus, das in Obstriegeln zu finden ist – und hat genau denselben Zweck: Energie liefern. Insgesamt 13 Tonnen Rüben, 200 Ballen Heu und 13 Tonnen Apfel-Hafer-Mischung hat der Verein für den Winter bestellt. Zugefüttert wird, sobald Schnee liegt.
„Der Winter ist für die Tiere die Stresszeit“, sagt Eberhart. Sie kennt sich aus, hat vor zwei Jahren ihren Jagdschein gemacht und engagiert sich seitdem im Verein. „Die Natur verlangsamt sich“, erklärt sie. Die Körpertemperatur bei den Hirschen sinke. Nach der anstrengenden Zeit der Brunft im September und Oktober wiegen sie zudem gut 25 Prozent weniger als zuvor. Die Tiere lassen es also gemütlich angehen. Eberhart sagt: „Sobald morgens die Sonne aufgeht, liegen sie unten auf der Wiese.“
Winter ist Paarungszeit für Wildschweine
Anders sieht es bei den Wildschweinen aus. Denn November und Dezember ist bei ihnen Paarungszeit. Die „Fröschle“, so nennen Jäger die neugeborenen Frischlinge, werden im März geboren. Jetzt im Februar freut sich das Schwarzwild erstmal über den langsam tauenden Boden. Denn bei Eis und Schnee können die Schweine den Boden nicht gut umgraben, um sich in Pfützen zu wälzen. Die Schlammpackung gehört für sie aber genauso zum Alltag wie für die Gäste eines guten Wellnesshotels.
So eine Erholung ist für die Ehrenamtlichen im Winter nicht angesagt. Durch das Gewicht des Schnees fallen Bäume um. „Eigentlich fallen die immer auf einen Zaun“, sagt der zweite Vereinsvorsitzende Jörg Weiss scherzend. Dann ist Schnelligkeit gefragt. Zwei der Ehrenamtlichen kommen mit einem Traktor, ziehen den Baum heraus und richten den Zaun. „Geflickt wird eigentlich immer“, sagt Weiss.
Die Arbeit teilen sich die Mitglieder auf. Jeden Tag schaut einer nach dem Futter und den Zäunen. Das Projekt finanzieren sie über den Verkauf des Futters, Spenden und über Zuschüsse. Zusätzlich verkaufen sie das Fleisch der Tiere, die sie schießen. Im Sommer gibt es zudem einen Kiosk. Mit Glühwein, Punsch und Waffeln können sich die Besucher am Wochenende im Winter an einer Bude neben dem Spielplatz aufwärmen.
Überraschung: Goldfische im Teich bei den Ziegen
Dort haben auch die vier afrikanischen Zwergziegen ihr Zuhause – ein Highlight für Kinder. Denn die Tiere sind – anders als Dam- und Rotwild – alles andere als scheu und lassen sich gerne füttern. In ihrem Gehege haben die Vereinsmitglieder überraschende Bewohner gefunden: Goldfische in einem Teich. „Wir wissen nicht genau, wo sie herkommen“, sagt Weiss. Ob sie den Frost überlebt haben, wird der Frühling zeigen.
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Tonnen Zuckerrüben, 200 Ballen Heu und 13 Tonnen Apfel-Hafer-Mischung lagert der Verein Wildgehege Meßstetten ein, um die Tiere über die kalten Monate zu versorgen.