Von einer „Perle in einem scheinbar wenig industrialisierten Raum“ spricht Dr. Axel Kulas, wenn es um die Firma Vigor Feingerätebau in Albstadt-Onstmettingen geht. Denn was von außen wenig modern aussieht – ein Betrieb mit 61 Mitarbeitern im alten Steinbruch – beherbergt Experten mit Know-how, wie es sie in Deutschland nicht allzu oft gibt. „Sie machen spannende Produkte mit einer Präzision im Tausendstel-Millimeter-Bereich.“ Vigor fange „da an, wo andere aufhören“, schwärmt der Wirtschaftsexperte.
Der Rechtsanwalt aus Stuttgart ist im Anfang Februar eröffneten Insolvenzverfahren des mittelständischen Unternehmens als Sachwalter eingesetzt worden. Das heißt: Im Insolvenzverfahren wurde Eigenverwaltung angeordnet, sodass Geschäftsführer Axel Conzelmann mit Kulas gemeinsam die Geschicke der Firma steuert. „Der Sachwalter berät und kontrolliert“, sagt Kulas.

Firma Vigor ist zahlungsunfähig

Wie kam es zur Zahlungsunfähigkeit bei Vigor? „Schon Ende 2019 haben wir weniger Aufträge aus dem Maschinenbau bekommen – wegen der Wende hin zur Elektromobilität“, berichtet Conzelmann. Dann kam die Coronazeit, und alle Kunden, die Luftfahrt-Zulieferer sind, hätten ihre Aufträge während der Lockdowns zeitlich verschieben müssen. Dabei hatte das Unternehmen in Onstmettingen, das auch für die Wehrindustrie Teile liefert, sich restrukturiert, hatte 2,5 Millionen in den Maschinenpark investiert und personell stark aufgestockt. „Dann laufen irgendwann die Kosten weg, und die Banken konnten nicht noch mehr geben“, schildert Conzelmann.
Die Durststrecke ist freilich schon längst vorbei. „Die Auftragsbücher sind voll“, berichtet der Geschäftsführer beim Betriebsrundgang. Dies unterstreichen die vielen Zisch- und Schleifgeräusche in der Produktionshalle oberhalb des Ortes. Dort bedienen Angestellte und auch sieben Azubis, die Industriemechaniker werden, 25 riesige Maschinen, an denen verschiedenste Bestandteile für Flugzeuge und Waffensysteme hergestellt werden. Die meisten sind computergestützt, doch auch eiserne Drehmaschinen-Relikte aus der Zeit, in welcher der Maschinenbau im Vordergrund stand, stehen noch bereit.

Vigor hat kräftig investiert

Weitere, kleinere Maschinen machen unzählige Produktionsvarianten möglich. Allein sieben der großen Maschinen seien in den vergangenen Jahren seit Conzelmanns Übernahme der Geschäftsführung (von Norbert Kühn) angeschafft worden.
Die Kunden, welche mit Vigor oft Verträge über 30 Jahre eingehen, unterstützen den Geschäftspartner in der jetzigen Übergangszeit, sagt Sachwalter Kulas. „Wir könnten von der Nachfrage her viel mehr produzieren als jetzt“, ergänzt Conzelmann. Trotz der Insolvenz sei man deshalb bester Dinge, was die Zukunft des Unternehmens angeht.

Investor für Albstadter Unternehmen gesucht

Einen Investor für die extrem spezialisierte, jedoch kleine Firma zu finden, sei freilich „herausfordend“, sagt Kulas. Denn Investment-Konzerne wollten im großen Maßstab investieren, und Mitbewerber seien oft selbst zu klein für eine Übernahme.
„Außerdem arbeiten wir hier im sicherheitsrelevanten Bereich“, sagt der Sachwalter. Kunden wie Zulieferer der Bundeswehr könnten ihre Aufträge schnell stornieren, wenn die Firma plötzlich einen Miteigner hätte, der nicht zu dieser Sicherheitsstufe passt. Deshalb sei das Ziel nun, einen sogenannten Insolvenzplan auszuarbeiten. Dies beinhalte einen Schuldenschnitt durch die Gläubiger. „Ich gehe davon aus, dass wir das Insolvenzverfahren schon in diesem Jahr wieder verlassen können“, zeigt sich Kulas zuversichtlich.

Mitarbeiter während Insolvenz wieder eingestellt

Auch die Mitarbeiter, die seit Dezember Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit in voller Höhe ihres Gehalts bekommen, halten Vigor die Stange. „Wir mussten zwischendurch im Jahr 2021 leider 15 Prozent der Belegschaft entlassen, konnten aber schon alle bis auf zwei wieder einstellen“, freut sich der Geschäftsführer, der vor 2018 selbst 25 Jahre bei einem Werkzeughersteller in Balingen tätig war und in Onstmettingen lebt.
Wie soll es mittelfristig mit Vigor weitergehen? „Wenn wir jetzt Liquidität sparen und die Finanzen weiter konsolidieren können, wollen wir neu bauen“, verrät Conzelmann. Auch ein Bauplatz hat der 57-jährige ehemalige Albvereinsvorsitzende bereits im Auge: „auf Lichtenbol in Tailfingen“. Denn im Steinbruch könne aus Platzgründen sowie wegen des Naturschutzes nicht erweitert werden. Woher der Firmenname stammt, ist übrigens laut Conzelmann ein Rätsel. Auf Englisch bedeutet „vigor“ passenderweise „Vitalität“ oder „Lebenskraft“.

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Aus dem „Löwen“ in den Steinbruch

Die Firma Vigor Feingerätebau war ursprünglich 1949 in Onstmettingen im Hinterzimmer der Gaststätte „Löwen“ von Manfred Kühn gegründet worden. Sie fertigte zunächst auftragsbezogen Metallteile für den Maschinenbau. Später kam als zweites Standbein die Messtechnik hinzu.
Nach dem Umzug in den alten Steinbruch oberhalb des Dorfes kamen auch Kunden im Flugzeugbau und später aus der Wehrtechnik hinzu. Axel Conzelmann übernahm als Geschäftsführer Anfang 2018. Ein Jahr später stieg die Firma aus der Messtechnik aus, stockte Personal auf.  Die Familie Kühn ist auch heute noch Vermieter der Gebäude im Steinbruch.