Die Frage nach dem Warum – sie ist eine Frage, die bei Gewaltverbrechen nur selten beantwortet wird. Entweder, weil kein Täter ermittelt werden konnte, weil er oder sie selbst tot ist oder sich nicht äußert. Auch bei den Angehörigen zweier ermordeten Menschen in Albstadt waren da diese Fragen, doch der inhaftierte Tatverdächtige schwieg seit dem 22. Dezember. Jetzt aber gaben die Staatsanwaltschaft Hechingen und das Polizeipräsidium Reutlingen bekannt, dass sich der 52-Jährige zwischenzeitlich zu den Vorwürfen geäußert hat.
Tatverdächtiger beim Albstädter Doppelmord bricht Schweigen
Das Motiv hinter solch einer Tat ist jedoch nicht nur für die Hinterbliebenen wichtig. Im Strafrecht spielt das Tatmotiv, vor allem der Vorsatz, eine Rolle für eine Verurteilung und das Strafmaß, erklärt Ronny Stengel, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hechingen. Vor Gericht sind daher die Gründe für die Tat, aber auch die Tat selbst wichtig, um zu einem Urteil zu kommen, ob es sich beispielsweise um Mord oder Totschlag handelt.
Ein Geständnis, wie es der Tatverdächtige nun abgegeben hat, kann die Ermittlungen dahingehend erleichtern, dennoch müssen alle Aussagen und Hinweise geprüft werden. Das ist derzeit die Aufgabe des polizeilichen Ermittlungsteams.
Die inzwischen gemachten Angaben des Verdächtigen zu den Tatabläufen decken sich weitgehend mit den bisherigen Ergebnissen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und den objektiven Befunden, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Demnach ist davon auszugehen, dass der Verdächtige bereits am Sonntag, 18. Dezember, seine 20-jährige Nichte erdrosselte, ihren Leichnam in der Folge zerteilte und auf dem Grundstück seines Hauses vergrub.
Am Mittag des 21. Dezember gab der 52-Jährige mehrere Schüsse auf einen 23-Jährigen im Bereich des Ziegelplatzes ab, an denen das Opfer kurze Zeit nach der Einlieferung in eine Klinik starb. Wie bereits berichtet, wurde der Tatverdächtige kurz nach der Schussabgabe von der Polizei festgenommen. Am Abend desselben Tages fand die Polizei den Leichnam der Nichte des Tatverdächtigen nach einem Hinweis des 52-Jährigen nach entsprechenden Grabungen. Das Motiv gab den Bürgern Rätsel auf. Da ein enger familiärer Zusammenhang zwischen den Beteiligten bestand, ging die Polizei von einer Beziehungstat aus.
Habgier als Grund für Morde?
Trotz Geständnis des Beschuldigten dauern die Ermittlungen zu den genauen Hintergründen weiter an. Die Polizei wird nun weitere Spuren abarbeiten und Hinweise sowie die Aussagen des Tatverdächtigen prüfen, erklärt Stengel. Inwieweit die Angaben des Beschuldigten zutreffend sind, wonach das Motiv für die Taten weitestgehend finanzieller Art gewesen sein soll, bedarf ebenfalls noch der eingehenden Prüfung. Habgier ist ein Merkmal, dass rechtlich eine Tötung als Mord qualifiziert. Es zählt zu den sogenannten niedrigen Beweggründen.
Weiterhin arbeitet die beim Kriminalkommissariat Balingen eingerichtete Ermittlungsgruppe mit rund 20 Beamtinnen und Beamten an der vollständigen Aufklärung der Taten. „Ich rechne damit, dass die Polizei die Ermittlungsdaten etwa in zwei Monaten an die Staatsanwaltschaft übergibt“, gibt Ronny Stengel einen Ausblick. Festlegen möchte er sich jedoch nicht. Allerdings dürfen bis zum Abschluss der polizeilichen Ermittlungen, der Anklage-Erhebung der Staatsanwaltschaft und des ersten Verhandlungstermins nur sechs Monate vergehen, weil es sich um eine Haftsache handelt. Denn die maximale Dauer der Untersuchungshaft, in der sich der Beschuldigte befindet, beträgt sechs Monate.
Motiv soll finanziellen Hintergrund haben
Mit einer Inhaftierung soll verhindert werden, dass der Beschuldigte die Ermittlungen negativ beeinflussen kann oder flüchtet. Eine Verlängerung darf nur erfolgen, wenn die besondere Schwierigkeit, der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund dies rechtfertigen kann.
Kommt es zur Anklage wegen Mord, muss der 53-Jährige im Falle einer Verurteilung mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen.
Hilfe für Angehörige
„Familienangehörige einer Person, deren Tod direkte Folge einer Straftat ist, können durch die Straftat einen Schaden erleiden“, heißt es in einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates von 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten. „Daher sollten die Schutzmaßnahmen dieser Richtlinie auch diesen Familienangehörigen, die indirekte Opfer der Straftat sind, zugutekommen.“
Doch an wen können sich Angehörige wenden, wenn das Unaussprechliche passiert ist? Eine Anlaufstelle ist der Bundesverband Anuas. Die Organisation hat sich auf Hilfe für Angehörige von Mord-, Tötungssuizid- und Vermisstenfällen spezialisiert und ist eine bundesweite Betroffenen-Opfer-Hilfe- und Selbsthilfeorganisation. Eine weitere ist der Weisse Ring.