In Zukunft wird es keine Rabatte mehr beim Kauf eines Autos bei einem Händler geben. Doris Riesterer, vom gleichnamigen Autohaus in Albstadt und Pressesprecherin der Kfz-Innung Zollern-Alb, erklärt, was es mit dem Agenturmodell auf sich hat und was die Einführung für die Kunden bedeutet.

Was ist unter dem Agenturmodell beim Autokauf zu verstehen?

Doris Riesterer: Im Agenturmodell optimieren Hersteller ihren Nutzen, setzen Preise fest und teilen Mengen zu. Im bisherigen Vertragspartnersystem hingegen bearbeiten Händler den Markt, nutzen Chancen und gehen Risiken ein. Durch die Preishoheit der Hersteller geht ein wichtiges Marktregulativ verloren. Für Kunden werden die Fahrzeuge dadurch teurer.

Was ändert sich mit dem Agenturmodell für die Autokäufer?

Im Detail betrachtet ändert sich mit dem Agenturmodell die Struktur des Kaufprozesses. Anstatt den Vertrag mit dem Händler abzuschließen, wird der Vertrag direkt zwischen dem Hersteller und dem Kunden geschlossen. Der Händler fungiert in diesem Modell als Vermittler und Handelsvertreter und ist für Beratung, Kundenservice und die Organisation des Verkaufsprozesses verantwortlich. Dafür erhält er vom Hersteller eine mehr oder weniger auskömmliche Vergütung. Preise werden standardisiert und zentral vom Hersteller gesteuert, es besteht kein Verhandlungsspielraum für Händler und Kunden mehr. Was dabei aus Handelssicht besonders kritisch zu betrachten ist: Der Hersteller rückt näher an die Kunden heran und sammelt, verarbeitet und verwertet Kunden- und Fahrzeugdaten zentralisiert.

Was ist der Grund für die Einführung der Modelle?

Die Einführung von Agenturmodellen in der Automobilbranche hat vor allem den Hintergrund, dass die Hersteller ihre Vertriebskosten senken und ihren Profit weiter erhöhen wollen. Außerdem sind die Hersteller bestrebt, ihre Abhängigkeit von uns Autohändlern zu verringern und stattdessen einen direkteren Kontakt zu den Endkunden aufzubauen. Dabei muss man bedenken, dass die Rendite im Handel derzeit im Schnitt bei rund zwei Prozent liegt, die der Hersteller bei acht bis zehn Prozent. Da fragt man sich ja schon, wo das Mehr an Profit herkommen soll.

Was wird von Autohändlern dann noch angeboten?

Auch im Agentursystem werden Autohäuser Autos und Zubehör verkaufen und Service anbieten – im Verkauf jedoch auf einer anderen Grundlage als im Vertragshändlersystem. Durch das Agenturmodell ändert sich die Rolle der Autohändler von unabhängigen Verkäufern hin zu Vermittlern. Der Händler verliert dadurch an unternehmerischer Freiheit.

Inwiefern könnte das für den Autohandel problematisch sein?

Das Agenturmodell stellt eine Bedrohung für den Autohandel dar, wenn es keine fairen Vergütungen gibt. Das gilt nicht nur im Neuwagen-, sondern auch im Gebrauchtwagenbereich. Das Gebrauchtwagengeschäft ist für viele Händler der Kernbereich ihrer Tätigkeit. Wenn sich das Geschäft zu den Herstellern verlagert, hat das gravierende Auswirkungen auf die Ertragslage der Händler. Viele könnten in ihrer Existenz bedroht sein. Meiner Meinung nach sind die Automobilhersteller allerdings gar nicht dafür aufgestellt, das kleinteilige Retail-Geschäft zu übernehmen, und könnten daran scheitern. Den Schaden hätten dann nicht nur die Händler, sondern auch die Kunden. 

Wurden Agenturmodelle bereits eingeführt?

Bislang wurden in der Branche praktizierte Agenturmodelle von Marken wie Mercedes-Benz und Volkswagen im Großkundengeschäft oder innerhalb der Vermarktung der ID-Modelle eingeführt. Diese Modelle sind jedoch als unechte Agenturmodelle zu betrachten. Die von Mercedes-Benz in Südafrika, Schweden und Österreich pilotierten Konzepte lassen jedoch erahnen, wie die Einführung von echten Agenturmodellen im deutschen Markt aussehen könnte.  

Könnten Agenturmodelle dazu führen, dass es in Zukunft weniger Autohändler geben wird? 

Es besteht die Gefahr, dass mit einem (unechten) Agentursystem eine Art Vertragshändlersystem auf niedrigerem Vergütungsniveau entsteht und Betriebe in die Rolle eines schlecht bezahlten Erfüllungsgehilfen gedrängt werden. In Summe könnte das dazu führen, dass es in Zukunft weniger Autohändler gibt.

Was sind Vor- und Nachteile von Agentursystemen?

Die Hersteller erhoffen sich durch die Einführung von Agenturmodellen mehr Kontrolle über Preisgestaltung, Vertriebsstrategien und Kundendaten. In einem fair ausgestalteten, echten Agenturmodell trägt der Hersteller das volle Absatz- und Kreditrisiko, und die Kosten für Hilfsmittel und Ressourcen, die bisher vom Händler getragen wurden. 

Kann eine Etablierung der Modelle gelingen?

Bei der Einführung von Agentursystemen müssen wir Händler äußerst wachsam sein. Zentral sind auskömmliche Provisionen für die geleistete Arbeit. Zudem ist es wichtig, den Übergang vom Vertragshändler- zum Agentursystem fair zu gestalten. Es darf nicht nur Marge, es müssen auch Kosten verlagert werden. Das beinhaltet auch Immobilien-, Verkäufer-, IT- und Marketingkosten. Die Hersteller werden versuchen, davon einen Block beim Handel zu belassen. Zudem wird derzeit bei der Einführung von Agentursystemen mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren geplant: Was erfolgt dann mit Gebäuden und IT-Investitionen, die auf zehn Jahre geplant wurden? Wie können diese sich noch amortisieren?    In Summe denke ich, dass die Komplexität des Tagesgeschäfts für den Hersteller nicht beherrschbar beziehungsweise bezahlbar ist.

Warum?

Es gilt: Retail is Detail! Und Detail ist teuer. Unsere Aufgabe als Händler ist es, Kundenbeziehungen zu pflegen, und deshalb dürfen wir uns die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht aus der Hand nehmen lassen. Für die verbleibenden Aufgaben muss es eine faire Vergütung geben.