Seine erste Vorstellung von „Lucia di Lammermoor“ hatte sich Levente Török anders vorgestellt. Der 25-Jährige ist 1. Kapellmeister am Theater Ulm und sollte in einigen Wochen vier  Aufführungen der Donizetti-Oper übernehmen. Doch am Mittwochabend kam alles anders. Blitzeis sorgte dafür, dass zwischen Langenau und Ulm nichts mehr auf den Straßen ging. In dem Stau steckte auch der Ulmer Generalmusikdirektor Timo Handschuh, der musikalische Leiter der Donizetti-Oper, der sie an diesem Abend eigentlich auch dirigieren sollte. Aber wie gesagt: Nichts ging mehr.
Davon ahnte Kapellmeister Levente Török aber nichts. „Ich lag im Bett, studierte etwas Ballettmusik und telefonierte mit einem alten Freund“, erzählt er. Da klopfte auf seinem Handy Handschuh an. „Ich dachte mir, den ruf’ ich nachher gleich zurück.“
Als aber kurze Zeit später auch das künstlerische Betriebsbüro des Theaters anklopfte, beendete Török sein Gespräch und rief Handschuh an, der ihn fragte, wie schnell er im Theater sein könne, um für ihn einzuspringen. „Das war um 19.23 Uhr.“ Um 20 Uhr sollte die Aufführung beginnen.
Török, der in der Platzgasse wohnt, eilte ins Theater, um ins „eiskalte Wasser“ zu springen, wie er erzählt. Er habe zwar drei Aufführungen der Inszenierung gesehen, zwei Proben geleitet und die Oper schon im Dezember studiert, bislang aber hatte er weder eine Aufführung dirigiert noch als Repetitor mit dem Werk Erfahrungen gesammelt. „Und drei Minuten vor Vorstellungsbeginn habe ich auch noch gemerkt, dass ich die falsche Hose anhabe: die Anzughose statt jener zum Frack.“
Doch trotz der Aufregung nahm sich Török die Zeit, jeden der Sänger persönlich zu begrüßen: „Ich habe zu ihnen gesagt, dass sie einfach singen sollten und ich mir Mühe geben werde, ihnen zu folgen“, erzählt der Musiker, der  seine Rolle am Pult nicht als eine dominierende sieht, sondern eher als Organisator des Ganzen. Alles ging gut, das Publikum feierte Török am Ende.
Im vergangenen Jahr war Török am Theater Regensburg schon einmal eingesprungen – bei Ella Milch-Sheriffs Oper „Die Banalität der Liebe“. Im Publikum saß der renommierte britische Kritiker Norman Lebrecht, der die Leistung mehr als nur eindrucksvoll fand. Er prophezeite: „Török wird es noch weit bringen.“