Harter Rock und ein Streichquartett. Größer kann die Kluft kaum sein, möchte man meinen. Doch nur auf den ersten Blick – denn das Signum Quartett entwickelte jetzt in einem Konzert der Reihe „klassisch!“ im mit mehr als 300 Zuhörern voll besetzten Stadthaus aus den vermeintlichen Gegensätzen etwas höchst reizvolles Neues.
Doch zunächst mal waren unter dem Motto „zwischen Arkadien und Anarchie“ die vertrauteren Quartett-Jagdgründe gefragt: Schuberts Quartettsatz c-Moll und drei Bearbeitungen seiner Lieder aus der Feder des Signum-Bratschisten Xandi van Dijk. Und hier zeigten sich schon die Stärken dieses Ensembles: eine ungeheuer homogene Dynamik, punktgenaue, traumhaft mühelose Phrasierungen. Da spielen acht Hände, als gehörten sie zu einem Körper. So stellt man sich ein Quartett vor. Und van Dijk hat in den Schubert-Liedern, darunter „Auf dem Wasser zu singen“, auch den Mut zur unverstellten Schönheit. Klasse.
Dann das Kontrastprogramm vor der Pause: Thomas Adès‘ „Arcadiana für Streichquartett“, ein siebenteiliger Brocken, der es in sich hat. Schroff, rhythmisch vertrackt, an der Grenze zur Unspielbarkeit, eine Herausforderung, die das Quartett erstaunlich spielerisch meisterte, selbst die mehrstimmigen Intervalle der Glissandi waren perfekt intoniert, und das Ganze klang alles andere als akademisch, das war trotz aller Frickligkeit und einer gewissen Hermetik hoch musikantisch.

„Heartbreaker“ im T-Shirt

Das ließ hoffen auf den zweiten Teil des Abends, der mit „Rock Lounge“ überschrieben war. Also es ging eben nicht um „Rock meets Classic“ – um eine Idee, die nach den ernsthaften Versuchen etwa Eberhard Schoeners oder Bands wie Deep Purple, die meist doch irgendwie scheiterten, längst zu einem Etikett verkommen ist, um alternde Rockstars mit jungen Cellistinnen dekoriert nochmals auf Hallenbühnen zu stellen, und bei der das Orchester letztlich dafür herhalten muss, die Synthiesounds durch analoge Instrumente zu ersetzen.
Damit hat das Signum Quartett nichts am Hut. Wie auch? Da saßen ja nur vier Musiker auf der Bühne, keine Drums, keine Gitarrenverstärker, keine Bläser. Dafür hatten sich die Musiker umgezogen: bunte T-Shirts zum klassischen Anzug. Eine programmatische Garderobe, die auch etwas Hemdsärmeliges hatte. Da wurde zugepackt, aber höchst subtil. Und kompromisslos, wo es sein musste. Da zählte der Rock‘n‘Roll-Approach, wie das wohl der Led-Zeppelin-Frontmann Robert Plant formuliert hätte. Die Band war mit „Heartbreaker“ vertreten, dazu gab es „Sunshine Of Your Love“ von Cream und Radioheads „Paranoid Android“ – alles in Paraphrasen Matthijs van Dijks, dem Bruder des Signum-Bratschers. Diese Bearbeitungen sind schlicht großartig, versuchen erst gar nicht, die Originale zu kopieren, sie spiegeln sie vielmehr mit den Mitteln des Streichquartetts: punktgenaues Zusammenspiel, Verve und der Mut, an die Grenze zu gehen.

Hommage an Rage against the Machine

Und das wagten Primarius Florian Donderer, Annette Walther (2. Violine), Xandi van Dijk und der Cellist Thomas Schmitz mit vollem Einsatz – nicht nur bei den Rock-Adaptionen, sondern auch bei Matthijs van Dijks Komposition „(Rage) rage against the“, die ebenso eine Hommage an den Dichter Dylan Thomas wie an die Crossover-Pioniere Rage against the Machine ist. Aber auch bei Mozarts Adagio und Fuge KV 546 sowie Beethovens abschließender „Großer Fuge“, die mit ihrer Kantigkeit und ihrer Wucht den Rock schon vor 200 Jahren vorausgegriffen zu haben scheint. Nach diesem Statement gab es trotz großem Applaus und Bravo-Rufen keine Zugabe. Was auch? Mehr ging einfach nicht.

Jubiläumskonzert mit dem „Forellenquintett“

Zehn Jahre „klassisch!“-Konzerte der SÜDWEST PRESSE in Kooperation mit dem Ulmer Stadthaus: Zum Jubiläum der Reihe kommt das international preisgekrönte Busch Trio aus Amsterdam und bringt Noga Shaham (Viola) und Naomi Shaham (Kontrabass) mit. Soll heißen: Das „Forellenquintett“ von Franz Schubert steht am 21. April, 20 Uhr, auf dem Programm. Und dazu das „Phantasie-Trio“ von Frank Bridge und das Klavierquartett Nr. 3 von Johannes Brahms. Der Vorverkauf: SÜDWEST PRESSE+Hapag-Lloyd Reisebüro im Hafenbad, Reservix und unter swp.de/ticketshop.