Im Medienzentrum des Landtags, einem fensterlosen Bunker unter dem Parlamentsgebäude in Stuttgart, ist einiges los. Viele Reporter und Gäste sind an diesem Mittwochvormittag auf Einladung von Theresa Schopper gekommen. Kein Wunder: Dieser Termin ist eine Institution. Kurz vor Ende der Sommerferien erstattet die Kultusministerin immer Bericht: Wie ist die Lage an den Schulen, welche Neuerungen stehen an?
Seit Jahren geht es hier im Grunde um eine Zahl: die der offenen Lehrerstellen. Wie groß ist der Lehrermangel? Wie viel Unterricht wird wohl ausfallen?
Gute Nachrichten gibt es seit Jahren nicht zu verkünden. Hunderte Stellen unbesetzt – diese Schlagzeile passte zuletzt immer. Mal ein paar weniger, meist ein paar mehr. Erst Susanne Eisenmann (CDU) und seit 2021 Schopper (Grüne) machten ernste Miene zum traurigen Spiel und zählten Notmaßnahmen auf: Pensionäre reaktiviert, an Teilzeitlehrer appelliert, Versetzungen in Mangelregionen angedroht. Jedenfalls – leider, leider – wird es knapp mit der Unterrichtsversorgung.

Weniger offene Stellen

Diesmal ist es ein bisschen anders. Schoppers Zahlen zeigen nach oben – und zwar deutlich. 890 offene Stellen waren es Ende August 2022, nun sind es 565. Vor allem an Grundschulen – seit Jahren Hotspots des Mangels – wird die Lage offenbar langsam besser. 365 offene Stellen hatte Schopper voriges Jahr, nun 120. Laut Ministerium eine Folge der Erhöhung von Studienplätzen im Jahr 2017.
Immer noch ein Defizit, kein Grund zum Feiern, das weiß Schopper, aber es reicht ihr, um in die Offensive zu gehen. Ihr werde von Lehrerverbänden und Medien zu oft das Bild gezeichnet: „Wir haben einen Hausmeister, der sperrt in der Früh auf und am Nachmittag sperrt er zu, und bis dahin haben wir niemanden drin“, grantelt die Wahl-Münchnerin.
Nach ihrer persönlichen Zwischenbilanz befragt, schließlich ist gerade Halbzeit der Legislatur, zählt sie ohne Zögern ein halbes Dutzend Punkte auf und stellt fest: „Ich habe jetzt nicht jeden Tag das Gefühl, dass ich am Abend ein Glas Wein trinken muss, damit ich gut schlafen kann.“

Schoppers Schwerpunktthemen

Bei der Vorstellung der Neuigkeiten und Schwerpunkte zum anstehenden Schuljahr zählt sie Maßnahmen auf, die sich in ihre auch in den vergangenen Monaten vorangetriebenen bildungspolitischen Schwerpunkte einfügen lassen.
Sie beginnt mit dem Thema Bildungsgerechtigkeit: Dieser Punkt sei ihr besonders wichtig, sagt Schopper. Viele Studien weisen nach, dass der Bildungserfolg eines Kindes extrem von seinem familiären Hintergrund abhängt.
Um das aufzubrechen, stellen in dieser Hinsicht erfolgreiche Bildungssysteme Schulen mit vielen sozial schwächeren Schülern mehr Personal und Geld zur Verfügung. Soweit ist man im Land noch nicht, doch nun startet offiziell ein Modellversuch, in dem die Schulämter Lörrach, Biberach und Tübingen sowie die Städte Mannheim, Pforzheim, Stuttgart, Singen/Hohentwiel und Heilbronn bestimmten Schulen, die anhand eines eigens entwickelten Sozialindex identifiziert wurden, mehr Ressourcen zuweisen.

Mehr Helfer für Lehrer?

Vor allem sollen mehr „helping hands“, wie Schopper es nennt, an diese Schulen kommen, um dort „multiprofessionelle Teams“ zu bilden. Zwar geht es bisher um relativ wenige Leute und geringe Beträge, wie die Opposition festzustellen nicht müde wird. Schopper sagt, es sei „ein Einstieg“.
Einen Schritt weiter ist sie bei ihrem zweiten Schwerpunkt: Unterrichtsqualität. Hier wird nun die „datengestützte Qualitätsentwicklung“ vorangetrieben. Nach Industriestandard sollen die Prozesse im Schulsystem optimiert werden – ein von Eisenmann eingeschlagener Weg, den Schopper fortsetzt.
So gibt es kommendes Jahr normierte „Schuldatenblätter“ für jede Schule, die Informationen zu Schülerschaft, Lehrern und Leistungen enthalten. Das soll Vergleichbarkeit ermöglichen: Was funktioniert, was nicht, wo hakt etwas? Diskutiert werden soll das dann bei „Statusgesprächen“ zwischen Schulamt und Rektorat anhand von Ziel- und Leistungsvereinbarungen.

Ziel: Qualitätssteigerung

Es gebe „erstmalig ein landesweit gemeinsames Verständnis von Schulqualität“ sagt Schopper stolz. Doch Qualität, darauf weisen Lehrerverbände und Opposition bald hin, setze voraus, dass der Unterricht stattfindet.
Schon am Tag zuvor saß Monika Stein, Landeschefin der Gewerkschaft GEW auf dem Stuhl, auf dem jetzt Schopper sitzt, und hielt flammende Appelle, wegen des Lehrermangels mehr Studenten zuzulassen. Auch andere Verbände und die Bildungsexperten von SPD, FDP und AfD nehmen Schopper wenig später mit kritischen Stellungnahmen ins Visier.
Wie sich die Lage entwickelt, ob es wirklich langsam besser wird, oder ob der Lehrermangel weiter flächendeckend zu Unterrichtsausfall führt, wird man bald sehen. Schopper hat angekündigt, nach jahrelanger Pause die Ausfallquoten wieder an Stichtagen landesweit zu erheben.

Neue Vergleichstests

Um mehr Steuerungswissen zu generieren, sollen Grundschüler ab dem Schuljahr 2023/24 zwei weitere standardisierte Leistungskontrollen schreiben. Vorerst auf freiwilliger Basis werden die Kinder landesweit bei „Lernstand 2“ (Zweitklässler) und Kompass 4 (Viertklässler) getestet. In Klasse drei finden bereits verpflichtend die Vergleichsarbeiten „Vera 3“ statt. „Lernstand 2“ soll helfen, zur Grundschul-Halbzeit Defizite zu erkennen. Die Ergebnisse von „Kompass 4“ sollen bei der Wahl der passenden weiterführenden Schule helfen.