Neue Empörungs-Runde im Streit um „political correctness“ – oder viel Lärm um nichts? In Heilbronn wirbelt eine Debatte um Dekorationen auf Karnevalskrapfen aktuell Staub (oder Puderzucker) auf. Ein Bäcker hatte die süßen „Berliner“ in seiner Auslage mit aufgesteckten Deko-Figuren versehen. Daran nahm eine Frau aber offenbar Anstoß, wie verschiedene Medien, darunter der SWR, berichten. Der Grund: einige Figuren stellten schwarze Menschen aus Sicht der Frau arg klischeehaft dar. Das bestätigt die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn in einer Mitteilung: Die Kundin des Bäckers habe sich beschwert, „der Bäcker würde mit Teilen der Dekoration herabwürdigende und diskriminierende Stereotype bedienen“, teilte die Antidiskriminierungsstelle mit. Schwarze Menschen seien „mit Knochenkette und Bastrock aus kolonialistischen Zeiten“ dargestellt worden.
Schriftlicher Hinweis an Bäcker löst Shitstorm aus
Aufgrund der Beschwerde habe die Stelle dem Bäcker persönlich einen „schriftlichen Hinweis“ geschickt und ihn darauf hingewiesen, dass die Darstellung Vorurteile bediene, „die weder einem heutigen Bild von Schwarzen Menschen entsprechen noch diskriminierungssensibel sind, sondern – insbesondere natürlich Schwarze Menschen – verletzen können und eine andere Dekoration doch wünschenswert wäre“. Allzu hoch wollte man das Thema bei der Stelle, die in Trägerschaft des Stadt- und Kreisjugendrings Heilbronn liegt und vom Sozialministerium des Landes, der Stadt Heilbronn und der Sparkassen Sozialstiftung gefördert wird, aber nicht hängen – und schon gar keinen Shitstorm auslösen. „Der verfasste Brief ist ein schriftlich verfasster Brief, nicht mehr und nicht weniger, begleitet mit einem Gesprächsangebot, das vom Bäcker nicht wahrgenommen wurde“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Rechte Telegram-Gruppen und Politiker stürzen sich aufs Thema
Da hatte die Stelle aber offenbar die Rechnung ohne die Erregungsbereitschaft einer bei „Wokeness“ hyperventilierenden Öffentlichkeit gemacht. Der Vorgang fand seinen Weg in die sozialen Medien – und landete in rechten Telegram-Gruppen; außerdem postete ein AfD-Stadtrat das Schreiben laut SWR auf Facebook. Auch der Bäcker äußerte sich empört und beharrte auf der Haltung, die dargestellten Figuren seien nicht rassistisch. Er werde weitere Deko-Figuren gleicher Bauart nachbestellen, sobald sie wieder lieferbar seien. In sozialen Medien schwappte die Empörung hoch, viele User schimpften über „woken Wahnsinn“, und auch Politiker äußerten sich: „Der identitätspolitische Wahnsinn geht weiter. Volle Solidarität mit dem Bäcker“, schrieb der Ex-Bundestagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende in Ravensburg, Christian Natterer.
Medien wie „Focus“ sprangen auf das Thema auf und berichteten, die Antidiskriminierungsstelle hätte dem Bäcker eine „Abmahnung“ geschickt, was die Leiterin Mirjam Sperrfechter zurückweist: „Dies ist nicht richtig.“ Die Stelle könne weder jemanden abmahnen noch rechtliche Schritte einleiten.
In der Folge wurde aber die Antidiskriminierungsstelle von einem „Shitstorm“ überrollt: Seit Tagen gingen bei der Stelle beleidigende und hasserfüllte E-Mails ein, die Polizei sei eingeschaltet. Der Vorgang rechtfertige aus Sicht Sperrfechters „in keinster Weise die Aneignung durch rechte Gruppen und Gruppierungen, die damit Hass und Hetze schüren, uns aber gleichzeitig bestärken, dass eine Antidiskriminierungsstelle leider noch lange nicht überflüssig ist.“
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