Seit Monaten kleben sie sich auch in Baden-Württemberg auf Straßen fest, um für mehr Klimaschutz zu protestieren: die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“. Genauso regelmäßig müssen die Aktivisten deswegen in letzter Zeit vor Gericht erscheinen. Erst im November verurteilte das Stuttgarter Amtsgericht mehrere Klima-Kleber wegen Nötigung zu Geldstrafen.
Weil sie in Stuttgart die B10 blockiert hatten, sollten sich mehrere Klimaaktivisten Anfang dieser Woche vor dem Amtsgericht im Bad Cannstatt verantworten. Einer der Angeklagten, sowie seine Freundin, die als Zeugin auftreten sollte, erschienen aber nicht, wie die „Bild“-Zeitung berichtete.

„Letzte Generation“ bestätigt Vorgang – und kritisiert die „Bild“

Am Donnerstag bestätigte die „Letzte Generation“ den Vorgang in einer Pressemitteilung, betonte aber, der Urlaub sei mit dem Gericht abgesprochen gewesen: „Ein Mensch, der gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen demonstrierte, sollte am Dienstag in Stuttgart vor Gericht stehen. Mit dem Gericht abgesprochen, blieb er diesem fern. Er befindet sich aktuell in Thailand, um dort mit seiner Freundin viele Monate zu bleiben. Die Bild-Zeitung titelte dazu gestern: Klima-Kleber fliegen nach Bali.“ Damit dementieren die Klimaschützer die Behauptung, die Aktivisten seien nach Bali geflogen – und kritisiert die Berichterstattung der „Bild“: „War ihnen das Wort „Thailand“ zu lang? Klang „Bali“ empörender?“, heißt es in der Mitteilung.

Scharfe Kritik aus der Politik an Urlaubsreise

Am Mittwoch, als die Empörung über den Vorgang in sozialen Medien hochschlug, waren von der „Letzten Generation“ keine Presse-Auskünfte zu bekommen gewesen. Im Raum stand lediglich ein eher ungelenkes Statement eines Sprechers der Organisation gegenüber „Bild“: „Sie haben den Flug als Privatleute gebucht, nicht als Klimaschützer. Das muss man auseinanderhalten.“
Entsprechend nahmen die Dinge ihren Lauf, auch Politiker äußerten sich zu dem Vorgang: Der FDP-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke, sagte der „Bild“-Zeitung: „Gerade wer moralisch so hoch fliegt und andere Leute wegen ihres privaten Lebenswandels mit Blockadeaktionen tyrannisiert, sollte im wirklichen Leben auf dem Boden bleiben.“
Sein Parteifreund Wolfgang Kubicki, Vizepräsident des Bundestages, nannte die Aktion „verlogen“, sie passe aber „zu dem religiösen Eifer, den die Vertreter der „Letzten Generation“ gerne zeigen: Wasser predigen und Wein saufen“, schrieb Kubicki auf Facebook. CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von einer „unglaublichen Doppelmoral“. „Fliegen ist für die Klima-Kleber so lange schlecht, bis sie selbst im Flugzeug nach Bali sitzen“, schrieb der Politiker auf Twitter.

„Es wurde ein Haar in der Suppe gefunden“

Die „Letzte Generation“ nennt die ganze Debatte in ihrem Statement nun „traurig“. „Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden – gerade bei ökologisch bewusst lebenden Menschen –, wenn Protestierende der „Letzten Generation“ in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so“, heißt es in der Mitteilung. „Gleichzeitig stehen wir jetzt wieder da. Es wurde ein Haar in der Suppe gefunden. Wie erwartbar. Und doch, angesichts der Katastrophe, die wir als Letzte Generation vor den Kipppunkten versuchen zu verhindern, immer wieder traurig.“
Grundsätzlich müsse man aber politische Forderungen und Engagement für den Klimaschutz unterscheiden vom eigenen Verhalten, sei der Vorwurf der „Doppelmoral“ fehl am Platz. Individuelles Verhalten von Klimaschützern (und anderen) sei keineswegs unwichtig. Viele Menschen, die sich gegen den Klimakollaps engagierten, stellten auch das eigene Leben um. „Es ist jedoch keine Voraussetzung, dies zu tun“, schreiben die Klimaschützer. Politische Forderungen an die Bundesregierung würden durch das eigene Verhalten nicht richtiger oder falsch. „Aber falls irgendein Zweifel bestand, ob Menschen, die Fleisch essen, Auto fahren oder Langstreckenflüge machen, mit uns gegen den Verfassungsbruch der Regierung auf die Straße gehen können, dann möchten wir den hiermit ausräumen: Ja!“