Die Wohn- und Geschäftsräume wurden durchsucht, der Beschuldigte vorläufig festgenommen – inzwischen sitzt Michael Ballweg in Untersuchungshaft. Der umstrittene Stuttgarter „
Querdenken“-Gründer Michael Ballweg ist ins Visier von Polizei und Staatsanwaltschaft geraten. Er soll Zuwendungen seiner Anhänger zweckentfremdet haben, die Vorwürfe lauten auf Betrug und Geldwäsche. „Ein Haftrichter erließ am Mittwoch den von der Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragten Haftbefehl und setzte ihn in Vollzug“, heißt es in einer
Mitteilung der Ermittler vom Mittwoch. Bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume hätten sich Anhaltspunkte dafür ergeben, „dass sich der Tatverdächtige mit seinen Vermögenswerten in das Ausland begeben wollte“.
Gegen den 47-Jährigen bestehe der Verdacht, „seit Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe finanzielle Zuwendungen eingeworben zu haben und hierbei die Zuwendenden über die beabsichtigte Verwendung getäuscht zu haben“, heißt es in der
Pressemitteilung der Ermittler vom Dienstag. Der Tatverdächtige soll demnach „einen höheren sechsstelligen Betrag“ der eingenommenen Zuwendungen „zweckwidrig für sich verwendet haben.“ Umfangreiches Beweismaterial sei bei der Durchsuchung sichergestellt worden, heißt es in der Mitteilung weiter.
„Spenden“ und „Schenkungen“ illegal verwendet?
Der Stuttgarter IT-Unternehmer Michael Ballweg ist als Gründer der „Querdenken“-Bewegung während der Corona-Pandemie bekannt geworden – und durchaus auch berüchtigt. Neben politischen Kontakten zu Extremisten stand seit Längerem auch das
Finanzgebaren des 47-Jährigen in der Kritik: Über ominöse „Schenkungen“ seiner Anhänger nahm Ballweg über einen langen Zeitraum hohe Summen ein, die direkt auf seine Privatkonten flossen. Ob dabei steuer- und strafrechtlich alles mit rechten Dingen zuging, wurde von Kritikern stets bezweifelt: „Ich halte das für gewerbsmäßigen Betrug und habe diese Einschätzung auch schon unserer Polizei und unserem Finanzminister Danyal Bayaz vorgetragen“, sagte etwa der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte und Experte für Verschwörungsmythen, Michael Blume, jüngst
im Interview mit unserer Zeitung. Durch das Gebaren von Ballweg und anderen Verschwörungsunternehmern würden „nicht nur Steuern hinterzogen, sondern auch alle Regeln der Transparenz verletzt. Jeder Verein muss Spenden ordentlich dokumentieren, aber den Feinden von Demokratien und Wissenschaft lassen wir bisher Abzocke und Radikalisierung durchgehen“, sagte Blume. Als Reaktion auf die Durchsuchung sprach Blume auf Twitter am Mittwoch von einer „guten Nachricht für eine wehrhafte Demokratie.“
Arzt Schiffmann macht Razzia bekannt
Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der sich unter anderem auf seinem
Youtube-Kanal viel mit der „Querdenken“-Bewegung beschäftigt, findet die Festnahme Ballwegs „nicht überraschend“, wie er auf Twitter schrieb. „Erstaunlich ist, dass es so lange gedauert hatte, da sämtliche „Schenkungen“ auf private Konten eingingen und dabei offenbar ein Überschuss entstand.“
Auch die SPD-Fraktion im Landtag begrüßte die Ermittlungen. „Den Geschäftspraktiken der sogenannten Querdenker und deren Hintermännern müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte ihr rechtspolitischer Sprecher Boris Weirauch. „Diesen Leuten müssen die Ressourcen entzogen werden, die es ihnen ermöglichen, unsere Demokratie zu bekämpfen.“
Öffentlich bekannt wurde die Razzia in Stuttgart offenbar durch einen „Kollegen“ Ballwegs: Der inzwischen nach Tansania ausgewanderte Arzt Bodo Schiffmann, ebenfalls ein Verbreiter von Verschwörungsmythen, verbreitete per Telegram, dass es eine Hausdurchsuchung gebe und forderte dazu auf, dass Unterstützer sich am Ort des Geschehens einfinden sollen, wie das Portal
t-online berichtet. Schiffmann war als HNO-Arzt in Sinsheim tätig, bevor er in die Verschwörungsszene abdriftete,
seine Praxis verlor und nach Tansania auswanderte. Auch er finanziert sich nach Ansicht von Beobachtern inzwischen vor allem durch Spenden von Anhängern.
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