Die Polizei rechnet damit, dass die Ermittlungen im Fall der entführten und ermordeten Bankiersfrau Maria Bögerl aus Heidenheim irgendwann wieder aufgenommen werden. Er halte dies für „wahrscheinlich“, teilte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm am Dienstag mit. „Sobald ein erfolgversprechender Hinweis eingeht, werden die Ermittlungen wieder aufgenommen.“ Dies sei etwa der Fall, wenn der Täter wegen eines anderen Deliktes eine Speichelprobe abgeben muss. Den Ermittlern liegt im Fall Bögerl eine DNA-Spur vor, die „eindeutig einem männlichen Täter zuzuordnen ist“.
Tötungsdelikte, in denen es keine Ermittlungsansätze mehr gibt, nennen Kriminalisten „Cold Cases“, also „kalte Fälle“. Folgende Fälle können die Ermittler seit Jahren nicht abschließen. In Baden-Württemberg zählt das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart knapp 500 ungeklärte Tötungsdelikte. Darunter sind demnach 350 vollendete, ungeklärte Tötungsdelikte. In weiteren rund 100 Fällen gehe es um Menschen, die seit langer Zeit vermisst werden und bei denen der Verdacht bestehe, dass dahinter ein Tötungsdelikt stehen könnte. Laut dem LKA gibt es weiter rund 50 versuchte Tötungsdelikte, bei denen das Opfer zwar lebt, der Täter aber noch nicht gefunden ist.
Von Bögerl bis Armani: Die bekanntesten Mordfälle aus Baden-Württemberg
Bei neuen Ermittlungsansätzen werden die „Cold Cases“ wieder aktuell und die Ermittlungen können jederzeit erneut aufgenommen werden. Die bekanntesten Fälle aus Baden-Württemberg:
- Maria Bögerl: Die Bankiersgattin wird im Mai 2010 aus ihrem Haus in Heidenheim entführt. Ein Unbekannter fordert 300 000 Euro Lösegeld – doch die Geldübergabe an einer Autobahn scheitert. Am 3. Juni wird Bögerl tot in einem Waldstück gefunden. Die Ermittler treten auch nach Massengentests, Fernsehfahndung und mehr als 10 000 gesammelten Spuren auf der Stelle. Nun ist einer der bekanntesten ungeklärten Mordfälle Deutschlands vorerst zu den Akten gelegt. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Denn es konnte kein Täter gefunden werden. Doch die Beamten haben eine genetische Spur. Bei einem Treffer werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Hier finden Sie die Folge unseres True-Crime-Podcasts „Akte Südwest“ zum Fall Maria Bögerl.
- Anja Aichele: Der Mord an der 17-jährigen Anja Aichele aus Stuttgart-Bad Cannstatt beschäftigt die Ermittler seit Jahrzehnten. Die Schülerin wird am Abend des 27. März 1987 auf dem Nachhauseweg erwürgt. Drei Zeugen geben an, sie hätten zu dieser Zeit einen Schrei im Weinberg gehört. Ihre Leiche wird drei Tage später gefunden - vergraben in einem Beet. 60 Ermittler sammeln mehr als 4000 Hinweise - ohne Erfolg. Im Jahr 2008 und 2012 werden zum Teil wegen neuer Spuren rund 1200 Männer getestet - ohne Ergebnis.
- Sabine Hammerich: Die Neunjährige will ihrem Vater am 17. Juli 1985 Zigaretten holen. Der Automat steht keine 50 Meter vom Elternhaus im Stuttgarter Westen entfernt. Mehr als ein Jahr später wird bei Bamberg ein Skelett gefunden. Erst im August 1988 haben die Eltern die traurige Gewissheit: Ihre Tochter wurde entführt und umgebracht. Die Täter sind bis heute unbekannt.
- Sabine Rahn: Die 18-Jährige verlässt am Abend des 11. März 1983 in Heidenheim ihr Elternhaus, um eine Freundin zu besuchen. Dort kommt sie nie an. Drei Tage später entdecken spielende Kinder ihre Leiche in einer Waldlichtung - vier Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt. Die Ermittler gehen von einem Sexualverbrechen aus. Speichelproben bleiben ohne Ergebnis.
- Rafael Blumenstock: Am 4. November 1990 finden Passanten auf dem Ulmer Münsterplatz die verstümmelte Leiche von Rafael Blumenstock. Die Täter töten den 28-Jährigen vor dem höchsten Kirchturm der Welt mit vielen Messerstichen und schneiden ihm die Nasenspitze ab. Heute ist am Tatort eine Gedenktafel in den Boden eingelassen. Hier finden Sie die Podcast-Folge „Akte Südwest“ zum Mordfall Rafael Blumenstock.
- Armani: Im Fall des achtjährigen Armani, der im Juli 2014 in Freiburg erwürgt in einem Bach gefunden wird, gibt es noch immer keine Spur zum Täter. Im Dezember 2015 wird die zwölfköpfige Ermittlungsgruppe aufgelöst. Sie war knapp 2300 Spuren nachgegangen. „Ja, der Fall ist weiterhin ungelöst. Er wird allerdings nicht unter "Cold Cases" geführt, da hierzu vereinzelt immer mal wieder Hinweise eingehen, welchen wir nachgehen. In diesem Zusammenhang werden dann auch gegebenenfalls weitere Spuren ausgewertet“, sagte eine Polizeisprecherin.
Ermittlungen im Mordfall Bögerl wurden vorerst eingestellt
Am Montag hatten Staatsanwaltschaft und Polizei mitgeteilt, dass die Ermittlungen in dem Mordfall vorerst eingestellt werden, da kein Täter gefunden werden konnte. Alle Spuren seien abgearbeitet worden, sagte der Sprecher. „Es gibt aktuell keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze.“ Noch immer gingen jedoch monatlich ein bis zwei Hinweise zu dem Fall bei der Polizei ein.
Maria Bögerl, die Ehefrau des damaligen Heidenheimer Sparkassenchefs, war am 12. Mai 2010 aus ihrem Wohnhaus in Heidenheim entführt worden. Noch am selben Tag erhielt ihr Mann den Anruf eines Unbekannten, der 300 000 Euro Lösegeld forderte. Die Übergabe des Geldes scheiterte jedoch. Anfang Juni 2010 entdeckte ein Spaziergänger dann die Leiche von Maria Bögerl an einem Waldrand wenige Kilometer vom Haus der Bögerls entfernt.
DNA-Spuren und Hinweise führten nicht weiter
Bisher wurden mehr als 10 000 Spuren in dem Fall ausgewertet. Auch mehr als eine Million Funkzellendaten hätten die Beamten nach verdächtigen Rufnummern ausgewertet, die zur relevanten Zeit in den tatrelevanten Funkzellen eingebucht waren.
Eine der größten Herausforderungen in dem Fall sei das enorme Spurenaufkommen in den ersten Monaten nach Start der Sonderkommission gewesen. „In den ersten Monaten wurden über 5000 Hinweise und Spuren bearbeitet“, sagte der Sprecher. Auch die TV-Auftritte bei „Aktenzeichen xy... ungelöst“ hätten eine Vielzahl von Hinweisen gebracht. „Es gab jedoch nicht die "heiße" Spur.“ Weitere TV-Aufrufe seien derzeit nicht geplant.
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