Die Bagger haben schon losgelegt, auf der Wiese am Ortsrand von Burgrieden-Rot im Kreis Biberach ist bereits zu sehen, wo eine Straße verlaufen wird und wo die Plätze für die ersten Tiny-Häuser hinkommen. Kein gewöhnliches Baugebiet: Bis Ende 2025 werden auf 1,1 der insgesamt 2,6 Hektar Grünland 26 Plätze mit kleinen Holzhäusern belegt sein. Im Mai soll das erste stehen. Einstöckige, quaderförmig oder in L-Form oder auch zweistöckig. Keines wird mehr als 50 Quadratmeter Wohnfläche haben. Es ist die erste große Tiny-Haus-Siedlung im Südwesten.

Nach drei Jahren alle Genehmigungen beisammen

Am Freitag war offizieller Baustart, und den beiden Brüdern Mane und Wolfgang Huchler war die Freude und die Erleichterung anzusehen. Vor vier Jahren hatten sie die ersten Ideen für eine Siedlung mit Kleinem Wohnen, in Tiny Houses. Wolfgang Huchler baut die Holzhäuser schon seit acht Jahren, Mane Huchler hat ein Planungsbüro. Sie haben das Gelände gekauft und entwickelten die Pläne. Anfangs hätten sie weder Architekten noch Landschaftsplaner dafür gefunden, sagt Mane Huchler. „Bisher gibt es in Baden-Württemberg auch kein solches Quartier“, sagt Wolfgang Huchler, Ausnahme seien nur einzelne kleinere Projekte etwa an Campingplätzen.
Bis Genehmigungen und alle Pläne für das Quartier in Rot, dem kleinen Ortsteil der Gemeinde mit etwas über 1000 Einwohnern unter Dach und Fach waren, hat es viele, viele Telefonate, Besprechungen und Genehmigungen gebraucht. „Kleines Wohnen ist eben etwas anderes als ein gewöhnliches Baugebiet mit Einfamilienhäusern“, sagt Mane Huchler. Die Infrastruktur ist allerdings komplett vorhanden. Wasser, Strom, Abwasser. „Wir wollten es klein, nachhaltig, ökologisch, mit möglichst wenig Ressourcenverbrauch. „Das hat Zukunft beim Wohnen“, immer wieder fragten Interessierte deswegen an.

Keine Bauwagen-Romantik

Kleiner wohnen, auf kleinem Raum, gerade so viel, wie nötig ist, ist im Trend. Wenn es aber konkret werden soll, gibt es Fallstricke: Haus ist Haus, auch wenn es klein ist, also braucht es eine Baugenehmigung, alle Anschlüsse, viel Papierkram. „Wir waren ein paar Mal kurz davor, alles hinzuschmeißen“, sagt Mane Huchler. Dass es jetzt doch klappt, sei auch dem Gemeinderat und dem Bürgermeister im 4300-Einwohner-Ort zu verdanken. Sie standen zum Vorhaben, auch wenn manche immer noch misstrauisch seien, wie Bürgermeister Frank Högerle gesteht. „Aber mit Bauwagenromantik hat das neue Quartier nichts zu tun.“ Es gehe um eine Art bezahlbares Einfamilienhaus, klein zwar, aber mit Garten drumherum. Das Bedürfnis nach kleinerem, bezahlbaren Wohnen sei einfach da, jetzt verstärkt durch steigende Zinsen und höhere Baupreise. Die Auswirkungen sieht man auch im kleinen Burgrieden-Rot: Bei der letzten Vergabe für ein konventionelles Neubaugebiet hätten einige der 23 Familien, die zum Zug gekommen sind, wieder zurückgezogen, weil ihnen der Hausbau zu teuer geworden sei, sagt der Bürgermeister.
Auch die Tiny-Häuser sind nicht billig, mit etwa 120 000 bis 150 000 Euro muss man schon rechnen, plus viel mögliche Zusatzausstattung und die fälligen Nutzungsgebühren für den Platz. Dafür bekommt man aber auch ein Haus, bei dem rasant steigende Kosten für Strom und Heizen kaum eine Rolle spielen. Und mitnehmen könne man es auch, wenn sich die Lebenssituation ändert, sagt Mane Huchler.

„Ein absoluter Neustart“

Barbara Sissoko und Marion Svenson werden unter den ersten Bewohnerinnen des Quartiers sein. Sie waren beim Baustart am Freitag dabei und freuen sich riesig auf den „absoluten Neustart“. Das „Weniger ist mehr“ zähle für sie schon lange, sagen beide. „Weniger Kram ist mehr Raum“, sagt Svenson. Sie hoffe darauf, eine gute Mischung zu finden zwischen Eigentum, Rückzugsraum und Optionen für gemeinschaftliche Aktionen“ im neuen Quartier und hat sich auch wegen der Naturnähe für den Umzug entschieden. Das ist auch Barbara Sissoko wichtig, die aus Unterschleißheim bei München aufs Land ziehen wird – zurück in die Heimat, nach Baden-Württemberg. Drei Jahre ist sie dem Projekt schon treu, hat mit ihren erwachsenen Söhnen ausgemacht, dass sie noch so lange zusammen wohnen werden, bis ihr neues Haus in Rot steht.
Drei Jahre haben die Genehmigungen und alle notwendigen Bauplanungen gedauert. Endgültig zugestimmt hatte der Gemeinderat von Burgrieden-Rot im Dezember 2022.

Häuser zum Probewohnen geplant

Für die Tiny-Häuser hatten die Huchlers schon 200 Interessenten auf der Liste. Weil alles so lange gedauert hat, seien viele abgesprungen, das sei nachvollziehbar. Rund 50 Interessenten gibt es aber nach wie vor. Die Liste sei nicht geschlossen, ab Mitte April gehe es an die endgültige Vergabe, sagt Mane Huchler, da könnten durchaus neue Interessenten zum Zug kommen.
Vier Häuser sollen zum Probewohnen angeboten werden und zum Vorzeigen für die vielen erwarteten Interessierten an der Wohnform. Ziel sind auch gemeinschaftlich nutzbare Räume, eine autarke Solar-Energieversorgung und beispielsweise Carsharing mit E-Autos. „Das soll sich aber alles entwickeln, gemeinsam mit den Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern“, sagt Mane Huchler. „Wir wollen ja nichts überstülpen.“

Glückwunsch aus dem Allgäu

Mit „Interesse und Sympathie“ werde das Projekt in Burgrieden-Rot auch in Kißlegg verfolgt, sagt Dieter Krattenmacher, Bürgermeister der Gemeinde im Kreis Ravensburg. „Herzlichen Glückwunsch aus dem Allgäu an die Tiny-Haus-Pioniere in Burgrieden-Rot!“ In Kißlegg war ebenfalls ein großes Tiny-Haus-Quartier geplant mit bis zu 40 Plätzen. Das hat sich nach dem grundsätzlichen Gemeinderats-Ja allerdings doch noch zerschlagen, weil der Baugrund nicht geeignet war und die Erschließung zu aufwendig geworden wäre.
„Wir sind aber weiter dran“, sagt CDU-Bürgermeister Krattenmacher. Zuversichtlich sei er bei einem kleineren Projekt mit vier Plätzen auf einem Baugrundstück, da liefen die Planungen. So könne man auch weitere Erfahrungen sammeln. Auch Krattenmacher ist überzeugt, dass das Konzept „Kleiner Wohnen“ Zukunft hat – gerade angesichts steigender Zinsen und hoher Baupreise.

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