Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am 18. Juni 2018 die Computer- und Online-Spielsucht als Krankheit anerkannt. Wie die Glücksspielsucht zählt sie zu den sogenannten nicht stoffgebundenen Suchterkrankungen, die man auch als Verhaltenssüchte bezeichnet. Die Sucht nach bestimmten Stoffen wie Alkohol, Nikotin, Opium, Kokain oder Amphetamin ist schon lange bekannt. Man spricht immer dann von Sucht, (1) wenn ein starker Drang besteht, eine Substanz zu konsumieren oder etwas Bestimmtes zu tun, (2) die Kontrolle darüber verloren geht und (3) man es nicht seinlassen kann. Oft entwickelt sich (4) eine Toleranz, das heißt man braucht immer mehr der Substanz bzw. verbringt immer mehr Zeit mit dem problematischen Verhalten (zum Beispiel Glücksspiel). Der Versuch, es sein zu lassen, führt (5) zu körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen (Schwitzen, Zittern, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Unruhe, Gereiztheit, Aggressivität) und schließlich (6) verliert man das Interesse an allen anderen Tätigkeiten (Beruf, Hobbys) und – vor allem – an anderen Menschen.
Was bei Sucht im Gehirn geschieht, ist mittlerweile recht gut erforscht. Alle Formen der Sucht sind sich sehr ähnlich, woraus sich auch ganz ähnliche Therapieverfahren ergeben.
Noch immer gibt es die Meinung, dass es so etwas wie „nicht stoffgebundene Sucht“ doch dar nicht gäbe, und schon gar nicht Smartphone- oder Facebook-Sucht. Die Fakten sehen anders aus: Nach dem jüngsten Bericht der Suchtbeauftragten des Bundes leiden 5,8 Prozent der 12- bis 17-Jährigen unter Computerspiel- oder Internetabhängigkeit, 2,6 Prozent sind süchtig nach Whatsapp, Instagram, Snapchat, Facebook oder Twitter. Wer glaubt, das sei wenig, sei daran erinnert, dass es sich tatsächlich um etwa 100 000 Einzelschicksale im Sinne verkorkster Lebensverläufe von Kindern und Jugendlichen handelt.
Auch die Häufigkeit der Smartphonesucht bei Jugendlichen liegt hierzulande noch im einstelligen Bereich, in Südkorea dagegen bei etwa 30 Prozent. Dort und in China gibt es daher auch militärisch anmutende „Entzugscapms“ für 14-Jährige, in denen die Kinder unter Qualen ausbaden müssen, was ihre Eltern – wahrscheinlich vor allem aus Ahnungslosigkeit – an ihnen verbrochen haben. Lassen wir es nicht soweit kommen!
Unser Autor Manfred Spitzer studierte Medizin, Philosophie und Psychologie. Er hat den Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm inne und leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm.