Auf der politischen Bühne ist das Verhältnis zwischen Deutschland und China eng: Angela Merkel kann sogar Klartext reden, darf die Volksrepublik offen und direkt etwa wegen ungleicher Investitionsbedingungen oder der Situation der Menschenrechte kritisieren. Nicht, dass diese Mahnungen stets fruchten. Doch immerhin findet sie Gehör. Denn die Bundeskanzlerin genießt auf der chinesischen Seite hohes Ansehen.
Elf Mal hat Merkel das Reich der Mitte in ihrer Amtszeit schon besucht. Es gibt viele bedeutende Länder, die sich eine ähnliche Aufmerksamkeit wie China wünschen würden. Am Montag haben sich die Regierungen in Berlin zur inzwischen fünften gemeinsamen Kabinettssitzung getroffen. Solche Regierungskonsultationen sind sonst nur mit besonders engen Freunden und Partnern üblich. Es ist ein Signal der Verbundenheit.
Frust beim Schüleraustausch
Doch in den Gesellschaften sind die Befindlichkeiten komplexer – das gegenseitige Bild ist von Stereotypen bestimmt. So genießen die Deutschen in weiten Teilen der chinesischen Bevölkerung einen äußerst guten Ruf. Die rasant wachsende Mittelschicht der Volksrepublik liebt deutsche Autos sowie Aldi, Rossmann und dm, die allesamt mit Online-Shops in China vertreten sind. Das Gütesiegel „Made in Germany“ steht im Reich der Mitte für Präzision, Sorgfalt und Funktionalität. Und bei der WM hat ein Großteil der Chinesen mit dem deutschen Fußballteam mitgefiebert.
Wie aus einer Studie der Firma Huawei und des German Institute for Global Studies (Giga) von 2016 hervorgeht, haben denn auch 74 Prozent der befragten Chinesen ein positives Bild von Deutschland, lediglich vier Prozent mögen die Bundesrepublik nicht. Für die Chinesen ist Deutschland das zweitbeliebteste Land der Welt. Und doch: So sehr sie deutsche Produkte schätzen – ihr Wissen über Deutschland ist gering, die kulturellen Missverständnisse groß.
Das zeigt sich nicht zuletzt beim deutsch-chinesischen Schüleraustausch. Er boomt zwar, und das Interesse der rasant wachsenden chinesischen Mittelschicht ist groß, ihre Kinder nicht mehr nur in angelsächsische Länder zu schicken, sondern auch nach Deutschland – in der Hoffnung, dass sie womöglich dort studieren. Doch sind sie dann erst im „Land der Dichter und Denker“, für das Deutschland in China oft gepriesen wird, fremdeln sie, kommen mit Deutschen nur wenig in Kontakt. Am Ende des Austauschjahres sind Eltern dann entsetzt, wie gering die Deutschkenntnisse ihrer Kinder sind.
Keine offenen Arme
Wunsch und Wirklichkeit prallen auch bei vielen Touristen aufeinander. Sie kommen mit der Erwartung, ein Paradies auf Erden anzutreffen – genau das suggerieren ihnen chinesische Medien, wenn sie über das „Land der Tugend“ berichten. Vor Ort ist die Enttäuschung dann groß: Die Großstädte sind gar nicht so sauber und aufgeräumt wie erwartet, und die Deutschen nehmen sie auch nicht mit offenen Armen auf. Dabei sind sie etwa beim Kauf von Solinger Messern, WMF-Kochtöpfen und Rimowa-Koffern doch besonders spendierfreudig.
Die Wertschätzung beruht zudem nicht auf Gegenseitigkeit. Laut der Huawei-Studie sind 32 Prozent der Deutschen China gegenüber „eher negativ“ eingestellt, der größte Teil (43 Prozent) hat gar keine Meinung. Dabei ist für den Exportweltmeister Deutschland die Volksrepublik seit Jahren der größte Handelspartner. Waren im Wert von über 186 Milliarden Euro tauschten die beiden Länder 2017 aus.
Trotz des weit verbreiteten Glaubens gibt es auch keinen Ausverkauf deutscher Unternehmen. Laut jüngster Zahlen der Bundesbank hielten Unternehmen mit Sitz in China in Deutschland 2016 rund 3,6 Milliarden Euro an Investitionen. Umgekehrt hatten deutsche Unternehmen 2016 Investition im Wert von rund 77 Milliarden Euro in China stehen, also mehr als das 20-fache.
Shi Anbin, Professor für Kultur- und Medienstudien an der Tsinghua-Universität in Peking, führt das so weit auseinanderklaffende Bild auf die Berichterstattung zurück. Während chinesische Medien viel Wert auf positive Berichterstattung legten, stellten deutsche Medien oft Probleme und Konflikte nach vorn. Dies führe in Deutschland zu einer „Verteufelung Chinas“ und in China wiederum zu einer „Romantisierung der Deutschen“. Shis Lösung: Es müsse noch sehr viel mehr Austausch geben – auf allen Ebenen der Gesellschaft.
Deutschlands Handel mit China