Es war eine Trainer-Premiere zum Vergessen. Markus Weinzierl stand an der Seitenlinie und schüttelte ungläubig den Kopf. Dritte Minute: Tor! 23. Minute: Tor! 25. Minute: Tor! Jeweils für Tabellenführer Dortmund. Jadon Sancho, Marco Reus und Pablo Alcacer betonierten schon zur Halbzeit eine souveräne 3:0-Führung. Am Ende kassierten die Stuttgarter eine 0:4-Klatsche und lasen Schlagzeilen wie „Effizienter BVB lässt VfB keine Chance.“
Das war nur der Anfang eines ernüchternden Debüts: Es folgten das 0:4 in Hoffenheim, das 0:3 daheim gegen Eintracht Frankfurt. 0:11 Tore und vor allem 0:9 Punkte in den ersten drei Spielen. Weinzierl braucht manchmal vielleicht ein wenig länger. Das war schon beim FC Augsburg so. Nachdem er dort 2012 Trainer geworden war, endete die erste Hinrunde in der Fußball-Bundesliga mit mageren neun Zählern – erst in der Zeit danach formte er aus den bayerischen Schwaben sogar einen Europapokal-Klub. Vier Jahre später misslang ihm beim FC Schalke 04 der Saisonstart mit fünf Niederlagen, ehe sich das Team zumindest stabilisierte, aber mit Platz zehn das Saisonziel verfehlte. Weinzierl musste gehen. Auch jetzt brauchte er einen langen Anlauf.
„Brutal negative Dynamik“
Der Trainer muss schmunzeln, als er vor dem Auswärtsspiel gegen Borussia Dortmund an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) darauf angesprochen wird. „Jede Startsituation hatte in meinen Augen verschiedene Gründe“, sagte der 44-Jährige. „Beim VfB war es so, dass er Tabellenletzter war, als ich kam. Dann ist der Start nicht gelungen, und dann nimmt das eine brutal negative Dynamik an, eine Abwärtsspirale.“
Lediglich vier Siege aus seinen bisher 17 Spielen mit dem VfB sprechen auch jetzt nicht für ihn. Aber es hat sich etwas verändert in den vergangenen Wochen – und der 5:1-Heimsieg gegen Verfolger Hannover 96 gibt Auftrieb. Weinzierl: „Ich finde, dass wir seit drei, vier Spielen eine gute Tendenz, eine gute Stabilität haben.“ Jetzt also die zweite Reifeprüfung gegen Dortmund. Tatsächlich fand er vor kurzer Zeit das, wonach er so lange gesucht hatte: ein funktionierendes System. Dank der Umstellung auf eine Dreierkette hat sich auch das Mittelfeld stabilisiert, weil damit vor allem die lange herbeigesehnte Hauptrolle für Gonzalo Castro gefunden wurde. Der in den Anfangsmonaten beim VfB enttäuschende Routinier überzeugt als zentraler Mann vor der Abwehrkette mit Ozan Kabak, Benjamin Pavard und Marc-Oliver Kempf.
Der 31-Jährige ist nun ein wesentlicher Grund dafür, dass die Stuttgarter trotz ihrer Abstiegssorgen sogar von einer Überraschung in Dortmund träumen – bei Castros Ex-Verein.
Hoffen auf weitere Spätzünder
Ex-Sportvorstand Michael Reschke hat bei einigen der von ihm für den VfB verpflichteten Spieler um Geduld gebeten: „Es hat ja für einige meiner Transfers vor dieser Saison teilweise sehr heftige Kritik gegeben. Aber ich bin mir sicher, dass Spieler wie Pablo Maffeo, Nicolas Gonzalez oder Borna Sosa noch ihren Weg gehen werden.“ Rechtsverteidiger Maffeo, 21, war im Sommer für rund zehn Millionen Euro als bis dato teuerster Spieler verpflichtet worden. Der Spanier spielt in den Planungen von Trainer Markus Weinzierl aktuell aber keine Rolle.