Erstmals ist eine Hockey- Mannschaft des Bietigheimer HTC in der Bundesliga vertreten: Die aus der 1. Regionalliga aufgestiegenen Frauen feiern am Sonntag (12 Uhr) in der Gymnasiumhalle ihre Premiere im Oberhaus – mit einem Heimspiel gegen den TSV Mannheim. Im Interview spricht Trainer Jürgen Fili über die Mission Klassenerhalt, sein Team und familiäre Interessenskonflikte.
Ist der Bietigheimer HTC gerüstet für das Abenteuer Bundesliga?
Jürgen Fili: Sowohl die erste Damenmannschaft als auch der ganze Verein sind bereit. Wir haben viel Zeit investiert, um die Saison so gut wie möglich hinzubekommen. Sportlich hat das Team eine sehr intensive Vorbereitung hinter sich. Darüber hinaus haben wir auch die strukturellen Voraussetzungen geschaffen. Dazu gehören zum Beispiel Liveübertragungen im Internet.
Knistert es im Team und im Klub vor dem ersten großen Auftritt in der höchsten deutschen Spielklasse?
Die Stimmung in der Mannschaft ist Bombe. Jedes Mädel fiebert dem Saisonstart entgegen und kann es kaum noch erwarten. Auch der Verein steht voll hinter der Mission Bundesliga. Dort zu spielen, ist ein einmaliges Erlebnis.
Aber die anstehende Saison in Liga eins soll doch sicher kein einmaliges Erlebnis bleiben, oder?
Das Ziel ist natürlich ganz klar der Klassenerhalt. Dafür haben wir sehr viel investiert – in den Trainingseinheiten und den Vorbereitungsturnieren. Ich denke, wir sind ganz gut aufgestellt, um in der Liga zu bleiben.
Was macht Sie so zuversichtlich?
Wir haben eine sehr homogene Mannschaft, die immer als Team auftritt. Sie will jedes Spiel gewinnen und gibt auch bei einem Rückstand nie auf, sondern kämpft sich immer wieder zurück. So eine Geschlossenheit als Team habe ich noch nie erlebt und ist wohl einzigartig.
Spielerinnen wie Neele, Jana und Dina Fili, Greta Meissner und Ines Wanner spielen seit Kindertagen zusammen. Könnte das das entscheidende Plus gegenüber der Konkurrenz sein?
Die meisten Mädels kennen sich schon, seit sie sechs, sieben Jahre alt sind. Sie wissen darum auch ganz genau um die Stärken und Schwächen ihrer Mitspielerinnen. Das zeichnet das Team aus und ist sicherlich ein Vorteil gegenüber Mannschaften, die vor einer Saison immer viele Wechsel durch Abgänge oder Zukäufe haben.
Bei welchem Mannschaftsteil haben Sie die größten Bauchschmerzen?
Ich sehe keine wirkliche Schwäche. Wenn jede Spielerin die Leistung abruft, die sie bringen kann, sind wir auf jeden Fall konkurrenzfähig – in der Abwehr, in der Mitte und im Sturm. Ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft in der Liga auf allen Positionen mithalten kann.
Wo müssen sich Ihre Schützlinge dann noch steigern?
In der Chancenverwertung. Im Torabschluss sind wir oft noch zu aufgeregt oder unkonzentriert. Daran arbeiten wir aber permanent. Auch da sind wir auf dem richtigen Weg.
Sie haben die BHTC-Frauen ganz ohne Trainerschein in die Bundesliga geführt. Werden Trainerlizenzen überbewertet?
Nicht jeder, der einen Trainerschein hat, ist zwangsläufig auch ein guter Trainer. Dazu gehört mehr als ein Stück Papier. Gerade eine Damenmannschaft muss man zu handhaben wissen. Als Trainer brauchst du da das richtige Gespür und Verständnis für gewisse Launen, Stimmungsschwankungen und das eine oder andere Wehwehchen. Das darf man dann auch nicht überbewerten, sondern dann lässt man eben mal Fünfe gerade sein und denkt: „Okay, das ist eben heute so. Im nächsten Training läuft es wieder anders.“ Der Umgang mit Spielerinnen ist schon spezieller als mit Spielern.
Harter Hund oder Kumpel – was für ein Trainertyp sind Sie?
Ich bin eher ein etwas ruhigerer Trainer, der die Dinge diplomatisch oder im Gespräch zu lösen versucht. Damit bin ich den vielen Jahren als Jugendtrainer ganz gut gefahren. Es ist nicht mein Stil, sofort und andauernd Kommandos aufs Feld zu brüllen, wie dies vielleicht der eine oder andere meiner Kollegen tut.
Sie ziehen bei der Mannschaft rote Trikots und rote Röcke der weißen Zweitfarbe vor. Warum?
(lacht) Rot ist die Lieblingsfarbe meiner Frau. Nein, das war ein Späßle. Rot strahlt immer auch Aggressivität aus. Die Mädels spielen aber in beiden Farben gleich gern.
Wie ist es, die eigenen Töchter und die Nichte zu trainieren?
Als ich das Traineramt bei der Mannschaft damals interimsweise übernommen habe, habe ich mir darüber auch Gedanken gemacht. Im Vorfeld habe ich mit den dreien gesprochen und klar kommuniziert, dass man Sport und Familie trennen muss. Wer das nicht kann, ist bei so einer Konstellation fehl am Platz.
Es ist also auch nicht so, dass man als Trainer Familienmitglieder kritischer sieht als Nicht-Verwandte?
Das macht keinen Sinn und habe ich schon vor drei, vier Jahren abgelegt. Jede Spielerin wird gleich behandelt. Ob jemand pausiert, nicht spielt oder ausgewechselt wird, hängt allein von sportlichen Kriterien ab. Da geht es strikt nach dem Leistungsprinzip.
Bedauern Sie, dass Hockey in der Sportstadt Bietigheim-Bissingen nicht so im Rampenlicht steht wie die publikumswirksameren Sportarten Eishockey, Handball und Fußball?
Ich finde es schade, dass das Interesse generell – auch der Medien – am Hockey nur gering ist. Das ist eine der schnellsten Ballsportarten überhaupt. Die Atmosphäre bei unseren Heimspielen in der Gymnasiumhalle ist sehr familiär, die Stimmung dort ist einmalig. Ich kann jedem Sport-Fan nur raten, sich mal ein Spiel dort anzuschauen.
Zur Person: Jürgen Fili
Im Oktober 2018 wurde Jürgen Fili, zuerst interimsweise, Trainer des Bietigheimer Frauenteams und damit Nachfolger von Can Yurtseven. Der 53-Jährige führte die Mannschaft in der Halle auf Anhieb aus der 1. Regionalliga in die Bundesliga und im Feld zum Klassenerhalt in der Zweiten Liga. Zuvor hatte Fili jahrelang diverse BHTC-Nachwuchsteams gecoacht. In seiner aktiven Karriere spielte er für die Bietigheimer Männermannschaft und stieg mit dieser Ende der 90er- Jahre in die 1. Regionalliga auf. Zwischen 1989 und 1994 ging er für den TFC Ludwigshafen auf Torejagd. Fili ist selbstständig und leitet mit zwei Geschäftspartnern ein Planungs- und Beratungsbüro für Aufzüge. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Töchter Jana und Dina spielen unter ihm, Sohn Leo ist beim HC Ludwigsburg aktiv. Neben Hockey nennt Jürgen Fili Fitness- und Kraftsport als Hobbys. ae
Zum Bundesliga-Auftakt kommt ein Final-Four-Teilnehmer ins Ellental
Mit dem TSV Mannheim gibt am Sonntag (12 Uhr) eines der stärksten Teams der Bundesliga Süd seine Visitenkarte in der Bietigheimer Gymnasiumhalle ab. Die Kurpfälzerinnen haben in der Vorsaison das Final Four um die deutsche Meisterschaft erreicht. Im Viertelfinale setzten sie sich im Januar gegen den Ost-Meister Berliner HC mit 6:5 durch. Beim Endturnier in Mülheim an der Ruhr kam im Halbfinale gegen den Club an der Alster nach Penaltyschießen das Aus. Mannheims Star ist Fanny Cihlar, besser bekannt unter ihrem Mädchennamen Rinne. Die inzwischen 39-Jährige nahm mit der deutschen Nationalmannschaft viermal an Olympischen Spielen teil und wurde 2004 Olympiasiegerin. „Das ist ein etablierter Erstligist, der sehr gut besetzt ist. Wir freuen uns auf die Herausforderung“, sagt BHTC-Trainer Jürgen Fili über den Auftaktgegner.
Als Topfavorit der Süd- Gruppe geht allerdings der TSV-Lokalrivale Mannheimer HC in die Hallenrunde. Die drei anderen Gegner – der Münchner SC, der Nürnberger HTC sowie der Rüsselsheimer RK – gelten auf Augenhöhe mit den Bietigheimerinnen und als Rivalen um den Klassenerhalt. ae