Es ist schwer, verdammt schwer, sich für etwas zu motivieren, von dem man weder weiß ob es stattfindet, geschweige denn wann. Vielen Sportlern ergeht es derzeit so, eine Ausnahme bilden die Profifußballer. Da läuft es wieder, Rückstände in Wettbewerben werden aufgeholt, am Ende des Sommers werden nationale und kontinentale Titel vergeben sein, Aufsteiger und Absteiger ermittelt. Anderswo sind Wettbewerbe abgesetzt, beziehungsweise ausgesetzt. Man trainiert ins Ungewisse hinein. So ergeht es unter anderem Michael Wetzel, dem für den TSV Dettingen startenden Triathleten. „Ich mache es ja auch, weil es mir Spaß macht“, sagt Wetzel. Es hat allerdings schon viel mehr Spaß gemacht – als es noch Wettkämpfe gab.

Eine WM verschwindet im Corona-Nebel

Zum Beispiel jenen Ende September vergangenen Jahres in Slowenien, den Ironman 70.3 in Koper. Der Ermstäler hatte sich trotz nicht durchweg berauschender Vorleistungen zur Teilnahme entschlossen. Es lief dann so gut, dass Platz vier in der Altersklasse heraussprang, der gleichzeitig die Quali für die Ironman 70.3-WM Ende November 2020 in Taupo (Neuseeland) bedeutete. Für Michael Wetzel ein absolutes Highlight. WM-Premiere auf der Halbdistanz (beim Ironman auf Hawaii war er schon zwei Mal) und das in einem wunderbaren Land, das er bei dieser Gelegenheit auch zu bereisen gedachte. Ob das klappt, weiß man nicht. Die Einreise ist noch sehr beschränkt, während Neuseeland selbst fast sämtliche Corona-Restriktionen zurückgenommen hat. „Da muss ich gucken, wie sich das Thema entwickelt“, so der Ausdauersportler. Es hat sich zumindest dahin entwickelt, dass Flug und Übernachtungen schon lange gebucht sind. Wie es sich sportlich entwickelt, ist indes klar: Gar nicht.
„Ich hatte lange die Hoffnung, dass es mit Neuseeland klappen könnte, weil es ja spät im Jahr ist. Als dann auch der Wettbewerb dort abgesagt wurde, war es für die Motivation ein Tiefschlag“, so der 36-Jährige. Der „Feierabend und Wochenend-Sportler“ findet im Beruf zwar genügend Ablenkung, einfach so vor sich hin zu trainieren, muss dann aber auch erst einmal verkraftet werden. „Mit Schwimmen war ja eh nix zu machen“, verweist Wetzel auf die Sportart, die zumindest in Baden-Württemberg wegen der Corona-Richtlinien lange völlig unterging, während andere Bundesländer das sehr viel lockerer handhabten. Laufen und Rad fahren waren indes uneingeschränkt möglich. Einzig Intervalle auf der Bahn konnte man nicht üben, die hat der Neuhäuser dann einfach in freier Wildbahn abgesteckt.
„Der Trainingsumfang ging dann aber schon zurück. Für was soll ich zum Beispiel Tempoläufe machen“, fragte sich der Bauingenieur, der eine Entwicklung bei sich ausmachte, die ihm früher undenkbar erschien. Wenn das Wetter nicht passte, schnappte er sich lieber ein Buch, anstatt bei Wind und Regen oder in der Kälte Kilometer abzuspulen. Man muss sich ja nicht unnötig quälen.

Das Aus kommt nach den Winterläufen

Schon früh im Jahr brachen die ersten Wettkämpfe weg. Winterläufe gingen noch, dann nichts mehr. Der Saisonstart in Steinheim wurde vom 10. Mai auf den 13. September verschoben, gestern hatte Wetzel die Mitteldistanz in Lauingen auf dem Zettel, sie wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. In Erbach (28. Juni) ist die Olympische Distanz ebenso abgesagt wie die Mitteldistanz-DM in Malterdingen (23. August). Für die Olympische Distanz in Stockach, geplant für den 12. September, ist die Anmeldung ausgesetzt, abgesagt noch nichts. Neuseeland (29. November) ist ebenfalls raus „Ich bin sehr skeptisch, ob es noch was wird in diesem Jahr“, sagt Michael Wetzel. Von der Anzahl der Teilnehmer erscheinen kleinere Wettbewerbe durchaus machbar. Das Problem sind die Auflagen: Abstand, Hygiene und Desinfektion. Der Aufwand für Veranstalter ist einfach zu groß und mancherorts nicht zu stemmen. Daran werden weitere Lockerungen in den nächsten Monaten nicht sehr viel ändern.
Michael Wetzel hat aus der Not eine Tugend gemacht und sieht es mittlerweile locker: „Für mich ist es ein reines Hobby. Es spielt keine Rolle, ob etwas stattfindet oder nicht.“ Sein Geld verdient er als Bauingenieur bei der Firma Züblin. Das Gewerbe spürt mittlerweile zumindest Corona-Ausläufer, wenn beispielsweise Material knapp wird. Der Windkanal für Porsche in Weissach steht kurz vor der Fertigstellung, dann könnte es mit dem nächsten Projekt in Böblingen weitergehen. „Wir stehen bereit“, vermeldet der sportliche Ingenieur. Das tut auch er, wenn es eventuell doch noch einen Wettkampf geben sollte. Des Berufs wegen hat der lange Schlacks seinen Lebensmittelpunkt nach Altdorf (Nähe Holzgerlingen) gelegt. An den Wochenenden zieht es ihn aber immer in die Heimat. Weil man dort mit dem Rad einen viel besseren Schnitt machen kann. „Da gibt es herrliche Aufstiege und auf der Alb kann man immer gut rollen, der Verkehr ist überschaubar. In Altdorf habe ich zwar den Schönbuch vor der Tür, da gibt es aber keine durchgehend asphaltierten Wege, das Stuttgarter Umland lädt dann zum Radfahren nicht unbedingt ein. Es ist einfach zu viel los auf den Straßen.“

Beste Bedingungen in der Heimat

Michael Wetzel wird also heimatverbunden bleiben. Schon allein wegen der Landschaft. Das größte Problem, so erklärt er lachend, sei die Strecke zwischen Neuhausen und Bad Urach. „Wenn ich mich da auf dem vielbefahrenen Radweg durchgeschlängelt habe, ist es traumhaft.“ Laufen geht dort auch recht gut, wie er von diversen Trainingsläufen und Teilnahmen beim Ermstal-Marathon weiß. Es ist schön hier, auch in Zeiten von Corona. Ohne wäre das Leben freilich noch schöner. Nicht nur für die Sportler.