Die gesellschaftspolitische Diskussion bei der Fußball-WM 2022 in Katar finden kein Ende. Das Verbot der One Love Binde durch die FIFA hat die deutsche Nationalmannschaft und den DFB in eine schwierige Lage versetzt. Zuhause erwartet man Haltung. Es wird erwartet, dass man sich klar für Menschenrechte und die Rechte von Homosexuellen einsetzt. Und in Katar wird erwartet, dass die Spieler genau das sind: Fußballspieler, und sonst nichts.
Vor dem Spiel der deutschen Nationalelf gegen Japan war daher die Frage überall zu hören: Werden die Deutschen einen Weg finden, trotz immensem Druck von der FIFA, diese Haltung zu zeigen?

Deutschland gegen Japan: Deutsche Mannschaft zum Schweigen gebracht

Vor dem Spiel hat sich die deutsche Nationalmannschaft wie immer zum Mannschaftsfoto aufgestellt. Doch diesmal gaben sie ein klares Zeichen. Alle Spieler hielten sich beim Foto die Hand vor den Mund. Damit sagen sie deutlich: FIFA will uns zum Schweigen bringen. „Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten - unsere Haltung steht“, erklärte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zu der Aktion auf Twitter. „Wir wollten mit unserer Kapitänsbinde ein Zeichen setzen für Werte, die wir in der Nationalmannschaft leben - Vielfalt und gegenseitiger Respekt“, erklärte der DFB. Es gehe „nicht um eine politische Botschaft - Menschenrechte sind nicht verhandelbar“.

„Die FIFA macht uns mundtot“

„Es soll ein Zeichen gewesen sein von uns als Mannschaft, dass die FIFA uns mundtot macht“, sagte Hansi Flick nach dem Spiel. Es gelang sogar ein politischer Doppelpass. Auf dem VIP-Tribünenplatz neben Gianni Infantino trug Bundesinnenministerin Nancy Faeser die für Neuer verbotene „One Love“-Binde für Vielfalt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser trägt beim Spiel Deutschland gegen Japan eine Armbinde mit der Aufschrift "One Love".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser trägt beim Spiel Deutschland gegen Japan eine Armbinde mit der Aufschrift "One Love".
© Foto: Federico Gambarini/dpa
Die SPD-Politikerin hatte sie erst unter ihrem pinken Blazer verborgen, den sie nach dem Anpfiff auszog. Die Hand-vorm-Mund-Aktion könnte der Auftakt zu den bekannten drei Affen gewesen sein: Diesmal nichts sagen - und dann womöglich nichts hören und nichts sehen bei den weiteren Vorrundenspielen.

Manuel Neuer: „Das ist ein Fingerzeig“

Manuel Neuer hat die viel beachtete Geste der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Richtung FIFA mit den Werten des Teams begründet. „Wir lassen uns vielleicht die Binde nehmen, aber wir lassen uns niemals unsere Stimme nehmen. Und unsere Werte“, sagte Neuer nach dem 1:2 gegen Japan. „Wir stehen für Menschenrechte ein. Das wollten wir damit zeigen. Dass wir uns von der FIFA vielleicht den Mund haben verbieten lassen - das machen wir vielleicht mit der Kapitänsbinde auf dem Platz, aber für unsere Werte stehen wir immer“, sagte Neuer, der mit einer von der FIFA vorgegebenen Kapitänsbinde aufgelaufen war. Die Idee sei im Mannschaftskreis entstanden. „Wir wollten unbedingt was machen, und wir haben überlegt, was man machen kann. Uns war klar, dass wir ein Zeichen setzen wollten“, sagte Neuer. „Das ist ein Fingerzeig.“

Reaktionen auf das Mannschaftsfoto: Gemischte Gefühle

Direkt nachdem das Foto der Nationalelf publik wurde, gab es schon die ersten Meinungen dazu im Netz. Die „Bild“ titulierte auf der Startseite: „Das war zu wenig, liebe Nationalelf!
Auf Twitter gab es unterschiedliche Meinungen zu lesen. Einige sahen es wie die „Bild“ – es sei besser, den Mund auf zu machen. „Wer schweigt stimmt zu“, so ein User. Andere befürworteten das Zeichen. „Der DFB hat sich was einfallen lassen, das ist gut“, so ein Nutzer. Auf der internationalen Bühne wird der DFB für die Aktion eher gefeiert. Der Protest sei kreativ, es sei gut, dass es ein Statement gebe.
„Die FIFA arbeitet mit Einschüchterung und Druck, das muss man zunächst konstatieren“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf in der ARD. „Ich stehe zu allem, was ich gesagt habe zum Thema Menschenrechte. Wir sind in der Opposition zur FIFA, das ist ganz wichtig, dass das hier deutlich wird. Wir müssen überlegen, welche Schlüsse wir daraus ziehen.“

One Love-Binde: Welche Bedeutung hat sie?

Die One Love-Kapitänsbinde ähnelt der Regenbogenflagge und soll versehen mit einem Herzsymbol für Vielfalt, Offenheit und Toleranz stehen. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden für eine verbesserte Situation der Arbeitsmigranten, für mehr Frauenrechte, mehr Meinungsfreiheit und mehr Toleranz gegenüber der LGBTQ-Community.