Neureich gegen Schon-immer-reich,  für solche Aufeinandertreffen der Betuchten interessieren sich gemeinhin nur Anlageberater oder die Klatschpresse. Heute Abend ist alles anders. Da fiebert die halbe Welt des Fußballs dem Clash der Kulturen entgegen – und ich muss mich dabei schon wieder verbiegen.
Ich bin von klein auf daran gewöhnt, fast jedem möglichen Gegner des FC Bayern München sämtliche Daumen zu drücken. Meine Arthrose am Daumengelenksattel rührt womöglich von daher.
Früher war’s noch übersichtlich und einfach: Man fieberte mit Werder Bremen, dem VfB Stuttgart oder dem 1. FC Kaiserslautern. Hauptsache, die Bayern werden nicht Meister. Die schönen Zeiten sind dahin, so weit ist’s schon gekommen: Seit ein paar Jahren freue ich mich über Bayern-Siege in der Bundesliga, obwohl dieser Club im Normalfall auf mich weiterhin eine ähnliche Wirkung hat wie ein Schweineschnitzel auf einen Veganer.
In den vergangenen Jahren lautete die einzige Alternative zu einem deutschen Fußballmeister FC Bayern München nunmal Borussia Dortmund. Da musste man als Schalker Prioritäten setzen, auch wenn’s Magengeschwüre verursacht, den Bayern plötzlich die Schale zu gönnen. In dieser Saison bleibt den blau-weißen Fußball-Freunden dieses Horrorszenario erspart, jetzt droht dafür ein Getränkekonzern mit dem großen Triumph. Ich habe überhaupt nichts gegen die Anhänger von RB Leipzig. Mir ist lieber, in Sachsen springen sie einem Plastikklub hinterher als der Pegida.
Nicht mal eingefleischte RB-Fans – die gibt’s tatsächlich und es sind in östlichen Gefilden nicht mal wenige – würden dieses Gebilde als Verein bezeichnen. Einziger Gründungszweck war und ist die Promotion eines Gebräus, von dem Ärzte ihren Patienten dringend raten, tunlichst die Finger davon zu lassen. Jetzt kann dieses mit den satten Gewinnen vom Verkauf der Brühe aus dem Boden gestampfte Konstrukt auch noch Deutscher Meister werden. Die neuen Leiden des nicht mehr ganz so jungen Schalkers: Ich habe es so satt, aber ich muss schon wieder den Bayern die Daumen drücken. Auch ein unsympathischer Verein ist immer noch ein Verein.
Gott sei Dank gibt’s die Champions League. Die ist wie Erholung von den Qualen des Liga-Alltags. International  stimmen noch die vertrauten Feindbilder und man darf guten Gewissens die Niederlagen der Bayern feiern.