WHO-Chef Tedros Adhanonom Gebreheyesus ist besorgt. Der Malaria-Report, den der Äthiopier vorgelegt hat, enthält beunruhigende Daten. 219 Millionen Fälle gab es 2017. Nach langer Zeit sinkender Zahlen gibt es seit 2016 wieder mehr Erkrankungen. 435.000 Menschen starben 2017 an Malaria. „Die Tatsache, dass alle zwei Minuten ein Kind an dieser vermeidbaren und heilbaren Krankheit stirbt, ist inakzeptabel“, sagt der WHO-Generalsekretär. Die mit Abstand meisten Erkrankungen, nämlich mehr als 90 Prozent, treten in Afrika auf. Auf elf afrikanische Länder entfallen 70 Prozent der weltweit gemeldeten Fälle. Der Klimawandel hilft bei der Malaria-Ausbreitung.
Malaria wird durch Stiche von Anopheles-Mücken übertragen, die den Erreger in sich tragen. Sie stechen vor allem nachts. Wirksamster Schutz waren bisher Moskitonetze. Die stehen aber Menschen in den ärmsten Ländern häufig nicht zur Verfügung. Der Zusammenhang zwischen Armut und Malaria lässt sich anhand der Statistiken gut belegen. Das gilt auch für die Todesfälle.  Außerdem mehren sich die Hinweise, dass  Moskitonetze nur noch bedingt hilfreich sind.  Umso mehr lassen Meldungen aus der Wissenschaft aufhorchen.Britische Forscher haben  es geschafft,  in einem Labor, genauer gesagt, in einem Biosicherheitsinsektarium, eine komplette Population von Malaria übertragenden Moskitos  zum Kollabieren zu bringen. Die Wissenschaftler des Projektes „Target Malaria“, das zu großen Teilen von der Bill & Melinda Gates-Stiftung finanziert wird,  haben auf ein Verfahren zurückgegriffen, das sich Gene Drive nennt. Mit Hilfe einer sogenannten Gen-Schere wurde dafür gesorgt, dass die klassischen Vererbungsregeln außer Kraft gesetzt wurden und die Vererbung bestimmter Eigenschaften beschleunigt wurde. Genauer gesagt: die Ausdifferenzierung der Geschlechter wurde verändert, unfruchtbare Weibchen wurden vermehrt.  Das Ergebnis: Bei zwei Versuchen konnten die Moskitoweibchen in der achten beziehungsweise in der elften Generation keine Eier mehr legen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Fähigkeit Malaria zu übertragen, zu beseitigen.
In der Praxis würde das bedeuten, dass man die Malaria-Moskitos entweder ausrotten oder ihnen die Malariaverbreitung austreiben könnte.
Lässt sich so tatsächlich Malaria aus der Welt schaffen? Bislang ist die Frage nicht zu beantworten.  Auf der anderen Seite stehen ethische Zweifel. Dass die Rettung von hunderttausenden Menschenleben möglich sein könnte,  gibt aber auch der Umweltethikerin Ute Eser zu denken. In einem Interview für den Deutschlandfunk sagte sie, es  falle ihr schwer, angesichts von 500.000 Toten pro Jahr die Anwendung von Gene Drive zu verurteilen.  Immerhin spreche auch das Kostenargument dafür, denn die Technik sei viel preiswerter als der Einsatz von Medikamenten oder die Entwicklung von Impfstoffen. „Eine Art herauszunehmen, die wirklich erhebliche Schäden anrichtet“, so Eser, „hat natürlich einen Charme. Wobei auf gar keinen Fall die Risiken vergessen werden dürfen. Wir wissen ja nicht, was im Freiland passiert.“
Uwe Kekeritz, Entwicklungspolitiker und   Bundestagsabgeordneter der Grünen, ist ebenfalls hin- und hergerissen. „In der Medizin kann die Gen-Schere durchaus vielversprechende Ergebnisse erzielen“, meint Kekeritz. Etwa bei Diabetes. Anders sei es bei der Bekämpfung von Malaria. Dies sei ein Sonderfall: „Bei der Malariabekämpfung wird ja in erster Linie darauf hingearbeitet, das Genom der Mücke zu verändern. Das hätte dann, wie bei gentechnisch verändertem Saatgut, den Effekt, dass die genetisch veränderten  Organismen unkontrolliert in die Natur entlassen werden.“ Ökologische Langzeitfolgen seien unberechenbar.
So wie es aussieht, werden sich allerdings Hoffnungen und Befürchtungen so schnell nicht erfüllen. Bis zu den ersten Freilandversuchen stehen wohl  Prävention und der Aufbau stabiler Gesundheitssysteme im Vordergrund. „Zudem muss die Bundesregierung Forschungsanreize zur Entwicklung eines Impfstoffs setzen“, fordert Uwe Kekeritz. Gen-Forscher um den Briten Austin Burt  appellieren dagegen an die politisch Verantwortlichen in aller Welt,  Gene Drive nicht zu behindern. Sollte die Tür zur Forschung geschlossen werden, heißt es, könnte man die Fragen von Politikern und anderen Entscheidungsträgern in Zukunft nur noch eingeschränkt beantworten.

Da setzt die Schere an

Beim Gene Drive geht es um die überproportionale Vererbung eines bestimmten Gens. Statt eine Eigenschaft an die Hälfte der Nachkommen weiterzugeben, kann eine Rate von 100 Prozent erreicht werden. Zum Einsatz kommt dabei das CRISPR/CAS-System (Gen-Schere). Diese erkennt eine bestimmte Zielsequenz im Genom. So werden Gene gezielt ausgeschaltet, verändert oder neu eingefügt – Anders als beim beim Genome Editing, wo die  Mutation nur eines Gens erfolgt. abo

Zahl der Infektionen steigt