Das Ergebnis der Wahl zum Ministerpräsidenten Thüringens müsse rückgängig gemacht werden, sagte Angela Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika. Damit forderte die Bundeskanzlerin indirekt eine Neuwahl. Sie nannte die Wahl einen „einzigartigen Vorgang“.
FDP stellt Antrag auf Auflösung des Landtags
Die FDP-Fraktion Thüringen will einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Das teilte die Fraktion am Donnerstag mit. Der neue FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich will demnach sein Amt aufgeben.
Merkel: „schlechter Tag für Demokratie“
Merkel betonte: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat.“ Es müsse jetzt alles getan werden, damit deutlich werde, dass dies in keiner Weise mit dem in Übereinstimmung gebracht werden könne, was die CDU denke und tue. „Daran wird in den nächsten Tagen zu arbeiten sein“, sagte Merkel.
Thomas Kemmerich (FDP) dank AfD neuer Ministerpräsident in Thüringen
Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich war am Mittwoch im Thüringer Landtag überraschend mit den Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Regierungschef gewählt worden. Der Kandidat der FDP, die im Herbst nur knapp den Sprung in den Landtag geschafft hatte, setzte sich gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durch. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half.
CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer droht Thüringer Kollegen
Nach der Wahl des Ministerpräsidenten mithilfe der AfD wächst der Druck auf die Thüringer CDU massiv an. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer drohte den Parteifreunden in Erfurt bereits mit Konsequenzen, falls sie mit dem neuen Regierungschef zusammenarbeiten sollten. „Dieser Ministerpräsident hat keine parlamentarische Mehrheit, er muss sich immer auf der AfD abstützen“, sagte sie im ZDF. Insofern wäre eine Zusammenarbeit mit Kemmerich ein Verstoß gegen die Parteilinie, die jede Kooperation mit der AfD ausschließe - „mit den entsprechenden Folgen“.
Das sagt der neue Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP)
Kemmerich bekräftigte unterdessen seine Pläne für die Bildung einer Regierung. „Die Arbeit beginnt jetzt“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Es gehe darum, „die Spaltung dieser Gesellschaft zu überwinden“. Kemmerich will nun eine Minderheitsregierung mit CDU, SPD und Grünen bilden. SPD und Grüne haben aber bereits abgesagt.
CDU für Gespräche bereit - gegen den Willen der Parteiführung
Die Thüringer CDU erklärte sich am Mittwochabend trotzdem zu Gesprächen mit Kemmerich bereit. „Voraussetzung dafür ist aber, dass jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen sein muss“, betonte CDU-Generalsekretär Raymond Walk nach einer Sitzung des Landesvorstandes. Die CDU-Bundesspitze fordert dagegen eine Neuwahl in Thüringen. „Und ich finde, es wäre richtig, wenn dieser Ministerpräsident zurücktreten würde“, sagte Kramp-Karrenbauer.
SPD droht mit Ende der GroKo und fordert Handeln der CDU
Die Entwicklung in Thüringen belastet auch die große Koalition in Berlin. Die SPD wertet die Wahl mit Stimmen der AfD als „Dammbruch“ und verlangt ein Machtwort von Kramp-Karrenbauer. Für Samstag wurde kurzfristig ein Treffen des Koalitionsausschusses angesetzt. Die Thüringer SPD forderte die Parteispitze auf, die große Koalition in Berlin aufzukündigen, „wenn keine unmissverständliche Klärung des Verhältnisses der Bundes-CDU zur AfD erfolgt und daraus Konsequenzen bei der CDU Thüringen erfolgen“.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki für Neuwahlen in Thüringen durch Parlamentsauflösung
Einen Tag nach der Wahl hat sich auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki für Neuwahlen ausgesprochen, am Mittwoch hatte er noch von einem „großartigen Erfolg“ für Kemmerich gesprochen. „Die Erklärung der Minderheitskoalitionäre aus Linken, SPD und Grünen, Fundamentalopposition zu betreiben, schafft eine neue Lage“, sagte Kubicki am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe offensichtlich keine Mehrheit im Landtag in Erfurt jenseits der AfD. „Neuwahlen werden damit unausweichlich. Der beste Weg zu Neuwahlen ist die Parlamentsauflösung. Ich erwarte einen entsprechenden Antrag von SPD, Grünen oder Linken im Thüringer Landtag. An der FDP wird er nicht scheitern“, sagte er weiter.
Appell für Gespräche von FDP-Chef Lindner - keine Kooperation mit AfD
Parteichef Lindner erklärte: „Die FDP verhandelt und kooperiert nicht mit der AfD.“ An CDU, SPD und Grüne appellierte Lindner, das Gesprächsangebot Kemmerichs anzunehmen. Sollten sich diese „fundamental verweigern, dann wären baldige Neuwahlen zu erwarten und aus meiner Sicht auch nötig“. Heute will Lindner zu Gesprächen nach Erfurt reisen.
FDP-Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich auf Twitter für den Rücktritt Kemmerichs aus. „Der Spuk in Thüringen muss sofort beendet werden, bevor er zum Albtraum wird“, twitterte die frühere Bundesjustizministerin.
Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer zu Thüringen-Eklat
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich unterdessen für Neuwahlen in dem Bundesland gesprochen. „Man kann nur im Interesse dieses wunderbaren Landes erwarten, dass es so viel Vernunft gibt, dass man sich jetzt wirklich einigt und im Interesse dieses Landes die nächste Zeit zusammenarbeitet und dass es dann in einem geordneten Prozess zu Neuwahlen kommt“, sagte Kretschmer am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Kein politisches Lager in Thüringen habe eine Mehrheit. Der CDU-Politiker betonte zugleich, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben könne.
Deutschlandweite Proteste gegen Wahl in Thüringen
Aus Protest gegen die Wahl gingen am Mittwochabend deutschlandweit mehrere tausend Menschen auf die Straße. In Berlin bekundeten Hunderte Demonstranten vor den Parteizentralen von FDP und CDU ihren Unmut. Dazu aufgerufen hatten verschiedene linke Gruppen. Vor der Thüringer Staatskanzlei versammelten sich etwa 1000 Menschen und bildeten eine Menschenkette. Einige skandierten: „Wer hat uns verraten? Freie Demokraten!“ und „Nicht mein Ministerpräsident!“ Vor dem Eingang des Gebäudes brannten Kerzen, Demonstranten hielten ein Transparent „FDP und CDU: Steigbügelhalter des Faschismus“.