Er erscheint im weißen Kapuzen-Sweatshirt mit Hilfiger-Aufdruck und hört sich an, was ihm der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann vom Münchner Landgericht zu sagen hat: Dass er „seine Ruhe, seine Bequemlichkeit über das Lebensrecht anderer gestellt“ hat. Dass er im Krankenhaus rechts der Isar Kranke ruhiggespritzt und dadurch ermordet hat, um seinen Rausch auszuschlafen oder am Handy zu zocken.
Die Patienten, die frisch von Operationen aus der Intensivstation auf Wachstation gekommen waren, hatten den als Krankenpfleger beschäftigten Mario G. dabei nur gestört. Der 27-jährige, große und etwas bullige Mann mit dem Bubengesicht erhält die nahezu höchste Strafe, die ein deutsches Gericht verhängen kann: lebenslänglich unter Anerkennung der besonderen Schwere der Schuld, da G. heimtückisch und aus niederen Beweggründen gemordet hat. Das bedeutet, dass für ihn kaum eine Chance besteht, nach 15 Jahren Gefängnis entlassen zu werden. Einzig eine anschließende Sicherungsverwahrung verhängte das Gericht nicht. Zwei Morde und sechs versuchte Morde hat G. begangen.

„Vier Monate durchgehend alkoholisiert“

Vier Monate lang von Mitte 2020 bis zum November war der Mann aus Nordrhein-Westfalen als Zeitarbeiter am „Rechts der Isar“ beschäftigt, in seinem Geständnis zum Prozessbeginn im Januar hatte er gesagt: „In München war ich vier Monate durchgehend alkoholisiert.“ Er hatte nur zwei Interessen, nämlich Trinken und Fußball, besonders die Geschicke seines Lieblingsvereins Borussia Mönchengladbach lagen ihm am Herzen.
Mario G. ging regelmäßig stark alkoholisiert zur Arbeit, am liebsten machte er Nachtschichten, weil er da meist in Ruhe schlafen konnte. Die Pflege der Kranken ließ er bleiben, er wechselte keine Windeln, wusch sie nicht, kümmerte sich um nichts. Der 80-jährige K. etwa erhielt von G. am 22. August 2020, einen Tag nach einer Operation, starke Beruhigungsmittel, sogenannte Tranquilizer. Sein Zustand verschlechterte sich, er musste beatmet werden und starb sechs Tage darauf auf der Palliativstation.
Ähnlich erging es dem 89-jährigen B., der Ende Oktober nach verbotener Medikamentengabe ins Koma fiel und am 13. November starb, ohne noch einmal aufzuwachen.

Nur knapp dem Tod entronnen

Knapp dem Tod entkam der bekannte Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, damals ebenfalls 89. Er hatte nicht nur Beruhigungsmittel, sondern auch aufputschendes Adrenalin erhalten, um die Wirkung der Tranquilizer wieder aufzuheben.
Mit Puls 200 kam er auf die Intensivstation, die Ärzte befolgten seine Patientenverfügung nicht und behandelten ihn weiter, da ihnen der Fall merkwürdig erschien. Zwei Jahre darauf starb Enzensberger eines natürlichen Todes. Mario G. erinnerte sich an den Prominenten, den er aber nicht gekannt hatte. Er sei in der Nacht unruhig und ihm eine „Last“ gewesen, „er hat alles aus dem Bett geworfen“.
Es gab nicht nur Morde und versuchte Morde, G. hat auch vielerlei Klinikvorschriften gebrochen. So war es ihm nicht erlaubt, ohne ärztliche Anweisung Medikamente zu vergeben. Auch hat er sie eigenmächtig nachbestellt und abgeholt – inklusive Benzodiazepine für den Eigengebrauch. Kontrolliert wurde der Medikamentenbestand offenkundig nicht. Auch störte man sich nicht daran, dass er keine Ausbildung als Kranken-, sondern als Altenpfleger hatte. 
Von der Staatsanwaltschaft wurde die Klinik überprüft, sagt die Pressesprecherin Anne Leiding gegenüber dieser Zeitung. Mögliches strafrechtlich relevantes Fehlverhalten sei aber nicht festgestellt worden. Geschädigte indes, also Opfer und deren Angehörige, haben die Möglichkeit, zivilrechtlich vorzugehen.

Morgens eine Flasche Jägermeister

In der Verhandlung entschuldigte sich G. immer wieder, er habe einen „großen Fehler“ gemacht. Das klang ziemlich stereotyp. Seine Schilderungen von den Alkoholexzessen hörten sich wie Banalisierungen seines zerstörerischen und letztlich tödlichen Lebenswandels an. Am Morgen habe er an der Tankstelle nicht nur eine Flasche Jägermeister, sondern auch unzählige Biere getrunken, erzählte er. Und mit den Flaschen die Formation einer Fußballmannschaft aufgestellt. Als der Sachverständige wissen wollte, ob ihm im Rausch die Sprachfähigkeit abhandengekommen sei, meinte er: „Ich konnte teils nicht mehr sprechen, aber singen.“

Urteil noch nicht rechtskräftig

Lebenslänglich lautet das Urteil gegen den damals in München als Krankenpfleger angestellten Mario G.; es ist aber noch nicht rechtskräftig. Der Anwalt des 27-Jährigen, Benedikt Stehle, sagte, er wolle noch über eine Revision entscheiden. Doch im Gericht hieß es dann: „Ich denke, mein Mandant wird das so hinnehmen.“ pat