Ergebnisse der Spurensicherung ließen den Rückschluss zu, dass der Elfjährige etwas mit dem Tod des Mädchens zu tun habe, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Karfreitag gemeinsam mit: „Da der elfjährige Junge nicht strafmündig ist, wurde er in einer gesicherten Einrichtung präventiv untergebracht.“
Am Dienstag war das Mädchen tot in seinem Zimmer in der Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft ging von einem Tötungsdelikt aus; eine Soko mit rund 40 Mitarbeitenden startete ihre Ermittlungen. Dabei haben die Einsatzkräfte der Soko demnach sofort Spuren am Tatort gesichert und dem Landeskriminalamt zur Auswertung überlassen.
Anhörung des Elfjährigen steht noch aus
Eine Anhörung des elf Jahre alten Jungen stand nach Polizeiangaben vom Freitag noch aus. Die weiteren Maßnahmen würden in enger Abstimmung mit den Jugendbehörden erfolgen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobte am Freitag die an den Ermittlungen beteiligten Fachleute: „Den akribischen und hochengagierten Ermittlungen ist zu verdanken, dass in vergleichsweise kurzer Zeit ein Tatbeteiligter ermittelt werden konnte.“ Jetzt gelte es, „die genauen Hintergründe dieser Schreckenstat aufzuklären“.
Der Innenminister sprach von schwierigen und komplexen Ermittlungen, da sehr viele Kinder und Jugendliche zu befragen seien. „Da ist ausgesprochen viel Fingerspitzengefühl gefragt.“
Tags zuvor hatte die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) die Wunsiedler Einrichtung besucht und sich darüber informiert, wie das Geschehene dort verarbeitet wird. „Die Kinder brauchen Schutz in ihrer gewohnten Umgebung, damit sie mit ihren Betreuerinnen und Betreuern die Situation aufarbeiten können.“
Viele Fragen bleiben offen
Was aber ist hinter den Mauern des Zentrums geschehen, als das Mädchen zu Tode kam? Polizei und Staatsanwaltschaft hielten sich am Freitag mit weiteren Details zurück, verwiesen auf das Alter des Jungen. Es werde keine weiteren Informationen geben, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken. So machte sie auch keine Angaben dazu, welche Art von Spuren gefunden worden sind. Unklar blieb auch weiterhin, wie das Mädchen zu Tode gekommen ist.
Die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung fügt sich unauffällig in das Bild der 9200-Einwohner-Stadt Wunsiedel ein, sie liegt direkt neben der katholischen Pfarrkirche.
Nach Angaben des Trägers werden dort etwa 90 Kinder und junge Erwachsene im Alter von 3 bis 19 Jahren betreut. Das Personal des Hauses besteht aus ebenfalls etwa 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Facheinrichtung sei für junge Menschen und ihre Familien da, die Hilfe zur Erziehung benötigten, hieß es auf der Website des Hauses. „Die Kinder kommen aus schwierigen Situationen“, schilderte Ministerin Scharf.
Die mutmaßliche Tat erinnert an den Fall Luise aus Freudenberg. Die Zwölfjährige war vor wenigen Wochen mutmaßlich von zwei zwölf- und 13-jährigen Mädchen erstochen worden.
Zahl der kriminellen Kinder steigt
Häufen sich solche Fälle? Belastbare Zahlen zur Kriminalität von strafunmündigen Kindern gibt es in der vor kurzem vorgelegten Polizeilichen Kriminalstatistik für das vergangene Jahr 2022. Demnach stieg der Anteil von Kindern an der Zahl der Tatverdächtigen über alle Verbrechensbereiche hinweg. Zwar lebten 2022 - unter anderem wegen der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine - mehr Minderjährige im Deutschland als im Jahr zuvor. Doch das alleine erklärt den Trend nicht. Mit dem Anstieg um 35,5 Prozent auf 93.095 tatverdächtige Kinder (0 bis unter 14 Jahre) wurde das Niveau des noch stark von Corona geprägten Vorjahres deutlich überschritten. Die Zahl lag auch um fast 28 Prozent höher als im Jahr 2019 (72 890).
BKA-Präsident Holger Münch wies bei der Vorstellung darauf hin, dass es sich bei den von Kindern verübten Taten ganz überwiegend um Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung oder leichte Körperverletzung handelte. Münch sagte, hier könnten auch wirtschaftliche Aspekte wie Geldknappheit in den Familien als Folge der Inflation eine Rolle spielen. Auch lebten durch die Zuwanderung von Flüchtlingen aktuell viele Kinder und Jugendliche in Deutschland, die in jungen Jahren in Kriegsgebieten Gewalt erlebt hätten.
Stress fördert kriminelles Verhalten
Ein weiterer Faktor sei Stress, betonte Münch und erinnerte daran, dass Minderjährige während der Corona-Pandemie durch Schulschließungen besonders hart getroffen waren. Kinder müssten gewaltfrei und in einem Umfeld aufwachsen, „in dem sie sich auch entwickeln können und eine reelle Chance haben, in der Leistungsgesellschaft anzukommen“.