Traurig, niedergeschlagen, antriebslos: Fast jeder fünfte Deutsche leidet mindestens einmal in seinem Leben an einer Depression. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gehört sie zu den häufigsten Erkrankungen – und das weltweit. Deswegen stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren Weltgesundheitstag in diesem Jahr unter das Motto „Depression – Let’s talk“: Lassen Sie uns darüber reden.
Depressionen sind heilbar, darauf macht die WHO aufmerksam. Dennoch wird rund die Hälfte der schweren Fälle nicht behandelt. Die Gründe: Betroffene haben nicht genug Kraft, Hilfe zu suchen, oder Angst vor Stigmatisierung. Zudem werden Depressionen oft nicht erkannt.
Auch gibt es lange Wartezeiten beim Facharzt. In Süddeutschland warten Patienten im Schnitt drei Monate auf einen Termin beim Psychotherapeuten, sagt Prof. Kai G. Kahl, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Immer tiefer in den Strudel

Drei Monate, in denen die Patienten allein mit der Hoffnungslosigkeit sind und immer tiefer in den Strudel der Depressionen rutschen. Kahl: „Wie bei jeder anderen Krankheit wird eine Depression schlimmer, je länger sie unbehandelt bleibt.“
Online-Psychotherapien können eine Lösung sein, um die Versorgungslücke zu schließen. Betroffene machen am Computer oder Handy eine Therapie gegen die Depression, unabhängig von Ort und Zeit. „Die Wirksamkeit solcher Online-Psychotherapien bei leichten bis mittelschweren Depressionen ist in rund 20 Studien weltweit nachgewiesen“, sagt Kahl. Sie seien entwickelt worden, um sie als Mono-Therapie einzusetzen – also ohne Begleitung durch einen Facharzt. Doch sie können auch zur Unterstützung einer Psychotherapie oder zur Überbrückung der Wartezeit genutzt werden.

Nur als Unterstützung

Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, hält eine Online-Psychotherapie für „eine gute Sache“ – jedoch nur, wenn der Patient dabei professionell begleitet wird, etwa vom Hausarzt oder Psychotherapeuten.
„Ich sehe derartige Online-Programme nicht als Ersatz für eine reguläre Behandlung mit Antidepressiva oder Psychotherapie, sondern als Unterstützung des Selbstmanagements der Patienten“, sagt er. Depression sei eine schwere Erkrankung und es wäre risikoreich, wenn Patienten versuchten, damit alleine mit ihrem Smartphone fertig zu werden. Etwa könnten Bausteine des Programms falsch verstanden werden oder eine Verschlechterung mit Suizidrisiko würde nicht erkannt.
Angebote für Online-Therapien gibt es viele. Einige gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten. „Die Programme bieten einen bunten Strauß an Methoden und Übungen, wie sie auch in der persönlichen Psychotherapie  eingesetzt werden“, sagt Kahl.
Ein Beispiel ist „deprexis24“. Das Programm führt einen virtuellen Dialog mit dem Nutzer und informiert über die Krankheit. Es erklärt Techniken, wie negative Denkmuster aufgebrochen werden können. Wenn der Patient unterwegs ist, kann das Programm Nachrichten mit motivierenden Tipps senden, um durch den Tag zu helfen.
Anderes Beispiel: „iFightDepression“ ist ein so genanntes Selbstmanagement-Programm, das die Stiftung Deutsche Depressionshilfe anbietet. Eine professionelle Begleitung sei Voraussetzung für die Nutzung, betont Hegerl. Denn dort lernten Patienten zum Beispiel, negative Gedanken-Automatismen wie ‚keiner liebt mich‘ zu erkennen und gegenzusteuern. „Und das Programm kann dabei unterstützen.“

Zahlen und Fakten

Volkskrankheit Die WHO geht davon aus, dass weltweit mehr als 300 Millionen Menschen mit einer Depression leben. Frauen sind häufiger als Männer von einer Depression betroffen, suchen aber in der Regel schneller Hilfe.
Behandlung Wird eine depressive Erkrankung früh erkannt, ist sie meist gut behandelbar. Dabei gibt es sowohl psychotherapeutische als auch medikamentöse Therapien.
Symptome Viele Betroffene klagen anfangs über Leistungsabfall, Appetitverlust und Schlafstörungen. Sie verlieren Freude und Interesse, ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. Zum beklemmenden Erschöpfungsgefühl kommen oft Schuldgefühle und Selbstvorwürfe. Bei schweren Depressionen können Erkrankte keine Gefühle mehr wahrnehmen und wirken wie versteinert.
Folgen Lange Abwesenheit am Arbeitsplatz, Frühverrentung und Suizid sind Konsequenzen. Weltweit schätzt die WHO die Zahl der Selbstmorde aufgrund einer unbehandelten Depression auf rund 800 000 im Jahr. dpa