Seit 1. Mai 2023 können die Menschen in Deutschland mit dem Deutschlandticket oder 49-Euro-Ticket bundesweit den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Das Deutschlandticket soll „die Attraktivität des ÖPNV deutlich erhöhen, einen Anreiz zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn setzen – und somit dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen.“, betont die Bundesregierung. Aber wie viel Klimaschutz steckt wirklich im Deutschlandticket?
Klimaticket kann nur der Start sein
„Jede Fahrt, bei der das Auto stehen bleibt und stattdessen der ÖPNV genutzt wird, ist gut fürs Klima“, erklärte Marissa Reiserer, Expertin bei Greenpeace. Sie fügte jedoch hinzu: „Das 49-Euro-Ticket macht Bus und Bahn deutlich unkomplizierter, zaubert aber keine neuen Bahnhöfe, Haltestellen und Verbindungen aufs Land. Die Einführung kann deswegen nur der Start sein.“
Jens Hilgenberg, Leiter der Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, sagte, dass es sich erst noch zeigen müsse, ob das Ticket tatsächlich CO₂ einsparen könne. Dies hänge davon ab, inwieweit Autofahrten durch das Ticket ersetzt würden: „In welchem Maße das stattfindet, lässt sich aktuell aber noch nicht abschätzen“.
Verkehrssektor ist „Sorgenkind“ beim Klimaschutz
Im vergangenen Jahr wurden die gesetzlichen Vorgaben zur Einsparung von CO₂-Emissionen nicht erfüllt, da die Emissionen im Vergleich zum Vorjahr leicht auf 148 Millionen Tonnen CO₂ anstiegen. Das Bundesumweltamt gibt an, dass der Pkw-Verkehr nach Lockerung der Corona-Einschränkungen wieder leicht zugenommen hat. Der Anstieg der Neuzulassungen von Elektroautos reicht nicht aus, um die Zunahme der Emissionen auszugleichen.
Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, zeigten Szenarien, dass es auch einen Abbau des Bestands fossiler Pkw geben müsste. Dieser Trend, der sich spätestens ab dem Jahr 2025 abzeichnen müsste, sei aber noch nicht zu erkennen. Laut einem Gutachten des Expertenrats für Klimafragen, das der Bundesregierung und dem Bundestag zur Bewertung der Emissionsdaten vorgelegt wurde, ist die notwendige Trendwende im Verkehrssektor bislang nicht zu beobachten.
Zu den Klimaeffekten des Deutschlandtickets
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat im vergangenen Sommer eine Bilanz zum 9-Euro-Ticket gezogen und herausgefunden, dass jede zehnte Fahrt mit diesem Ticket eine Autofahrt ersetzte. In den drei Monaten des Angebots wurden damit insgesamt etwa 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart.
Nun gibt es das dauerhaft angelegte Deutschlandticket zum Einführungspreis von 49 Euro im Monat. Greenpeace-Expertin Reiserer schätzt allerdings, dass der Klimaeffekt des Deutschlandtickets im ersten Jahr wohl unter den 7 Millionen Tonnen CO2 liegen wird, die ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket pro Jahr eingespart hätte. Der Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie ist unsicher, was das Deutschlandticket in Bezug auf das Klima bringen wird, da der Preis zu hoch sei, um nennenswerte Umstiege zu erwarten. Er geht maximal von einem Ersatz von 5 Prozent der Autofahrten durch den ÖPNV aus. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, bezeichnet das Deutschlandticket hingegen als "Klimaticket", da Busse und Bahnen pro Passagier nur ein Drittel so viel CO₂ ausstoßen wie Autos. Je nachdem, wie viele Menschen ihr Auto aufgrund des Deutschlandtickets stehen lassen oder sogar abschaffen, könnten Millionen Tonnen CO₂ zusätzlich eingespart werden.
Der ÖPNV muss weiter ausgebaut werden
Bastian Kettner vom ökologischen Verkehrsclub VCD betonte, dass das Deutschlandticket allein nicht ausreiche, um den öffentlichen Verkehr zu fördern, wenn es auf dem Land an Bussen und Bahnen fehle. Er forderte daher, das Angebot auszubauen und mit weiteren Maßnahmen zu flankieren, um den Autoverkehr in den Städten zu reduzieren. Hierbei schlug er höhere Parkgebühren und zusätzliche Angebote wie Carsharing vor.
Die Greenpeace-Expertin Reiserer betonte, dass ein Ausbau des Angebots bei Bussen und Bahnen sowie ein bundesweites Sozialticket notwendig seien, um das volle Potenzial des Deutschlandtickets für den Klimaschutz auszuschöpfen und immer weniger Menschen von Autos abhängig zu machen. Hilgenberg unterstützte diese Forderungen und betonte, dass die Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs durch eine Ausweitung des Angebots von Bussen und Bahnen sowie Maßnahmen zur Einschränkung des Autoverkehrs in städtischen Gebieten erreicht werden könne. Hierbei schlug er die Einführung von Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit in Städten, höhere Parkgebühren und eine Citymaut vor.
Wie viele Menschen nutzen das 49-Euro-Ticket bisher?
Der Verband der Verkehrsunternehmen meldete im Juni, dass seit 1. Mai 2023 bis zu elf Millionen Menschen ein Deutschlandticket erworben haben. Der größe Anteil daran, nämlich etwa 46 Prozent, sind sogenannte Umsteiger aus bereits bestehenden Abonnements. Rund 44 Prozent sind Neuabonnentinnen und -abonnenten, die den ÖPNV vorher mit Einzelfahrscheinen oder Zeitkarten ohne Abo genutzt haben. Rund 8 Prozent sind Neukundinnen und -kunden, die den ÖPNV bislang in der Regel nicht genutzt haben. Etwa 2 Prozent der Befragten haben keine Angaben gemacht. Diese Statistik veröffentlichte die Bundesregierung am 27. Juni 2023.
Alle Infos zum Deutschlandticket
- ICE, IC, Flixtrain und Fernbus: In welchen Zügen und auf welchen Strecken gilt das 49-Euro-Ticket und wo gilt es nicht?
- Gibt es das Deutschlandticket auch ohne Abo?
- Chipkarte, Papier oder online bestellen – Wo und wie kann man das Deutschlandticket kaufen?
- Ist das Deutschlandticket für Senioren günstiger?
- Ist das 49-Euro-Ticket auf andere Personen übertragbar?
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(mit Material von dpa)