Die Kanzlerin zeigt Horst Seehofer zu seinem Geburtstag die kalte Schulter, zumindest in der Haushaltsdebatte des Bundestages. 69 Jahre ist der Innenminister geworden, doch Angela Merkel straft ihn mit Liebesentzug. Lieber scherzt sie mit Vizekanzler Olaf Scholz, schmunzelt mit dem SPD-Mann über das, was er ihr auf seinem iPad zeigt. Seinen Geburtstag hat sich der CSU-Chef wohl anders vorgestellt. Er sitzt auf der Regierungsbank nur einen Platz weiter und starrt Löcher in die Luft.
Um zu verstehen, wie tief der Riss zwischen Seehofer und Merkel geht, brauchte es am Mittwoch keine Worte. Dass der Unionsstreit über die Asylpolitik trotz der Einigung große Narben hinterlassen hat, zeigt sich auch in der Rede der Kanzlerin. Zwar verlangt sie: „Es muss mehr Ordnung in alle Arten der Migration kommen.“ Dass dies aber eine Aufgabe ist, die nicht national zu lösen ist, nennt sie „eigentlich selbstverständlich“. Und deswegen, so erläutert Merkel, werde „der Bundesinnenminister dazu die Gespräche führen“. Der Genannte blickt nicht einmal zum Pult, die Kanzlerin nicht zur Regierungsbank. Ganz anders, als sie wenig später über Olaf Scholz spricht: Da lächelt sie in Richtung Finanzminister.
Dieses Lächeln setzt auch den Ton ihrer Rede. Merkel tritt freundlich auf. Für andere CSU-Mitglieder der Bundesregierung – namentlich Entwicklungsminister Gerd Müller und Digitalstaatssekretärin Dorothee Bär – findet sie sogar warme Worte. Die Lage in Deutschland beschreibt sie zuversichtlich, fast schon rosig. Auch global habe es große Erfolge gegeben: „Wir sollten nicht immer so tun, als ob alle Probleme unlösbar sind“, findet sie.
Für die Opposition ist der Unionsstreit ein gefundenes Fressen. „Sie demontieren Ihren Innenminister, weil er damit droht, geltendes Recht anzuwenden“, sagt AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Deutschland sei ein Narrenhaus, das Kanzleramt die Zentrale. Auch FDP-Chef Christian Lindner legt den Finger in die Wunde: „Das ist ein Waffenstillstand, was sie geschlossen haben.“ Seehofers eigene Freunde fürchteten den Rücktritt des Innenministers nicht mehr. Sie erhofften ihn.
Selbst SPD-Chefin Andrea Nahles hat es auf Seehofer abgesehen. „Wir brauchen keine Masterpläne, wir brauchen gutes Handwerk“, sagt sie und stellt die SPD als Stabilitätsanker der Regierung dar. „Das war eigentlich kein schlechter Start in die Regierung. Leider ist der Regierungsmotor in den letzten drei Wochen ins Stottern geraten.“
Innenminister Seehofer selbst tut derweil, als ginge ihn die ganze Debatte nichts an. Er beschäftigt sich mit seinem Handy.