Zita Schwabs Wecker klingelt früh morgens um halb 2. Manchmal ist sie schon vor dem Weckerklingeln wach. „Ich bin Frühaufsteherin, ich komme leicht aus dem Bett“, sagt sie. Sie zieht sich an, fährt zur Ablagestelle und holt sich aus einer Metallbox die Briefe und Zeitungen, die sie in Crailsheimer Postkästen verteilt haben will, bevor die Sonne aufgeht. Schwab ist Zustellerin beim Pressezustellservice des Hohenloher Tatblatts. Sie weiß: „Zum Frühstück müssen die Zeitungen bei den Abonnenten sein.“
Den Job als Brief- und Zeitungsbotin macht die Crailsheimerin seit 2010. „Damals suchte ich kurzfristig einen Job, weil ein kleines Bügelgeschäft, das ich zuletzt betrieben hatte, endete. „Ich bin gern in aller Frühe aktiv und verdiene an der frischen Luft mein Geld“, berichtet die 68-Jährige. „Zustellerin zu sein ist genau das richtige für mich.“
Angefangen hat Schwab im Stadtteil Sauerbrunnen, in dem sie wohnt. Später hat sie sich als Springerin einteilen lassen. Nun hilft sie überall dort aus, wo Hilfe gebraucht wird. So hat sie mittlerweile 34 Gebiete kennengelernt und kennt die Straßen und Häuser der Stadt Crailsheim, die der gebürtigen Würzburgerin längst zur Heimat geworden ist, in- und auswendig. Deshalb wird sie oft als Ausbilderin eingesetzt, wenn ein neuer Kollege oder eine neue Kollegin eingelernt werden muss.
Für die Neuen hat sie eine Menge Tipps parat, die sich im Laufe der Jahre bewährt haben: Die Kleidung muss dem Wetter angepasst sein. Die Warnweste ist obligatorisch und schützt nicht nur vor anderen Verkehrsteilnehmern. Helle Jacken eignen sich nicht, da die Ärmel mit der Zeit von der Druckerschwärze dunkel werden. Falls es in Strömen regnet, leisten der Regenponcho und ein Handtuch im Auto gute Dienste. Und alte Austräger-Hasen wie sie, die schon im Voraus wissen, welchen Briefkasten sie als nächstes vorfinden, formen die Zeitung bereits auf dem Weg zum nächsten Haus: Gerollt für die Zeitungsrolle oder gefaltet für den Schlitz.
Sie kennt die Briefkästen
An den morgendlichen Runden schätzt die zweifache Mutter und vierfache Großmutter neben der Bewegung an der frischen Luft vor allem die Ruhe. „Es ist selten, dass ich um diese Uhrzeit mal einem Menschen begegne“, berichtet sie. Häufiger dagegen trifft sie auf einen Fuchs oder Marder, zuletzt ist ihr mehrfach ein Hase begegnet. Im Winter rettete sie einen jungen Igel, der mitten auf der Straße saß. Oft bringt sie ein Foto von ihren morgendlichen Runden mit.
Nach ein oder zwei Stunden steckt die letzte Zeitung im Briefkasten. An der Tankstelle, die 24 Stunden geöffnet ist, nimmt sich Zita Schwab noch eine frische Brezel oder ein Zöpfle mit, dann macht sie sich auf den Heimweg. Dort angekommen, inzwischen ist es etwa 4.30 Uhr, trinkt sie eine Tasse Tee, wirft einen ersten Blick ins Hohenloher Tagblatt, das sie gerade ausgetragen hat, und legt sich noch einmal ins Bett. Wenn sie dann ein paar Stunden später zum zweiten Mal aufsteht, ist es Zeit für ein gemütliches Frühstück und ausgiebiges Zeitunglesen.
In ihrer Freizeit ist Schwab eine leidenschaftliche Wanderin. Sie ist schon viele Jahre Mitglied im Schwäbischen Albverein, wo sie die Seniorengruppe mitbetreut. Im Deutschen Alpenverein Sektion Dinkelsbühl-Crailsheim ist sie zweite Vorsitzende, aber da der Posten des ersten Vorsitzenden vakant ist, leitet sie faktisch den Verein. Sie lässt kaum eine Bergtour aus. Gerade erst war sie mit einer Gruppe im Lechtal auf dem Adler-Höhenweg unterwegs. „Wandern ist für mich Erholung, da kann ich abschalten und die Freiheit genießen. Was mir besonders gut gefällt ist die Bergkameradschaft.“
Zita Schwab ist in Würzburg aufgewachsen. Mit 14 Jahren machte sie im Kloster Neresheim eine hauswirtschaftliche Lehre. „Eigentlich wollte ich Säuglingsschwester werden“, erinnert sie sich. In Neresheim lernte sie ihren ersten Ehemann kennen. Nach der Hochzeit begann die Familienzeit. Die Familie zog zunächst nach Crailsheim, später nach Schweighausen. Neben ihren Aufgaben als Hausfrau und Mutter suchte sich Zita Schwab Putzstellen. Nach der Scheidung zog sie nach Ellwangen. Sie arbeitete 22 Jahre bei der Firma Varta. 1994 zog sie mit ihrem zweiten Ehemann zurück nach Crailsheim.
Die 68-Jährige ist ein sparsamer Mensch. „Ich musste oft mit sehr wenig Geld auskommen“, berichtet sie. Mit ihrer Rente und dem Zusatzverdienst als Mitarbeiterin im Pressezustellservice kommt sie gut klar. „Geld ist mir nicht so wichtig“, sagt sie. „Viel wichtiger ist das Zwischenmenschliche.“