Der Rotmilan – Deutschlands heimlicher Wappenvogel. So adelt die Deutsche Wildtierstiftung diesen Greifvogel, der in Deutschland sein Hauptverbreitungsgebiet hat – auch auf der Schwäbischen Alb. „Hier hat es eine hohe Rotmilandichte“, sagt Vogelexperte Wolfgang Lissak aus Heiningen. Mittlerweile macht der heimliche Wappenvogel Schlagzeilen: Wo er nistet, soll es keine Windräder geben. Schon so mancher Windkraftstandort wurde deswegen gekippt. Jetzt kommt es am Kaisersträßle zwischen Adelberg und Börtlingen-Breech zur Kraftprobe: Darf die ENBW trotz Rotmilan, der dort unterwegs sein soll (die GZ berichtete), zwei hohe Windräder bauen?
Für Vögel im Allgemeinen und Rotmilane im Besonderen sind Windräder allerdings eine tödliche Gefahr. Das besagt eine deutschlandweite Statistik aus Brandenburg, wo man schon lange ein Auge darauf hat. Nicht weniger als 2800 Vögel von 155 Arten seien schon tot an Windkraftanlagen gefunden worden – von der Nilgans (eine) über die Lachmöwe (127) bis zum Mäusebussard (373). Der Rotmilan, europaweit mit einem Tötungsverbot besonders geschützt, steht mit 301 Opfern auf dem traurigen zweiten Platz. Und das sind nur mehr oder weniger Zufallsfunde, die von engagierten Vogelfreunden gemeldet wurden. „Die Nachweiswahrscheinlichkeit von getöteten Vögeln ist sehr gering“, sagt Vogelexperte Wolfgang Lissak aus Heiningen. „Weil der Kadaver nur wenige Stunden liegt, er wird sofort abgefertigt von Fuchs und Marder.“ Lissak selbst hat aus seinem Umkreis noch von gar keinem Fall gehört. „Aber das heißt gar nichts“, stellt er klar.
Klar scheint: Der Rotmilan erkennt ein Windrad nicht als Gefahr. Eine Studie des Nabu und anderer Organisationen, die mit Bundesmitteln gefördert wurde, berichtet, dass sich Rotmilane „offensichtlich ohne Scheu den Anlagen näherten und sogar zwischen sich drehenden Rotoren durchflogen.“ Warum sie das taten, hat mit der Entfernung zum Nest und mit der Aussicht auf Beute zu tun. Sind die Rotoren weit weg vom Horst, ist die „Kollisionswahrscheinlichkeit gering“, schreibt die Studie. Sie wächst beim Näherrücken, von 1250 auf 750 Meter auf das Doppelte, und ist bei 250 Meter schon zehnmal so hoch. Die Verfasser der Studie plädieren für 1250 Meter Abstand. Bei Adelberg sieht das so aus: Im Umkreis von 1000 Metern gebe es keine Hinweise auf Brutstätten, sagt das Regierungspräsidium. Aber ausgeschlossen sei das auch nicht. Was man beobachtet hat, sind Flugbewegungen.
Das andere ist: Wenn das Windrad auf dem Weg zum Jagdgebiet des Milans steht, wird er es passieren. Es kann sogar die Fläche am Fuß des Windrads für ihn sehr verlockend sein. Weil sich auf solchen Brachen eine Vegetation breitmachen kann, die ganzjährig Nahrung bietet. Das gilt es zu vermeiden.
Rot- und Schwarzmilan, Wespenbussard, Baumfalke und Wanderfalke sind die hiesigen „windkraftempfindlichen Arten“, sagt Lissak. Sie müssten eigentlich vor Windrädern Reißaus nehmen. Weil sie sich vom Bau und auch Betrieb gestört fühlten. So dachte man. Aber mindestens für den Rotmilan stimmt das nicht, hat die Studie festgestellt.
Es wäre auch nicht so einfach. Wenn ein Greifvogel vertrieben würde, könnte er nicht einfach zwei, drei Kilometer weiterziehen, klärt Lissak auf. Weil da schon ein anderer sitzt. Jedenfalls in guten Lagen. „Das könnte er ihm streitig machen, das wäre Stress, das hätte Auswirkung auf die Population.“
Ausreichend Entfernung, keine lockende Nahrung rund ums Windrad – damit wäre schon viel geholfen, meint die Studie. Man könne das Problem nicht vollständig lösen, aber reduzieren.
Der Nabu tut sich weiterhin schwer, sagt der Göppinger Vorsitzende Dr. Wolfgang Rapp. „Es ist ein großer Spannungsbogen, Windräder sind schwierig für den Artenschutz von Vögeln, wie dem Rotmilan und auch Fledermäusen.“ Aber wenn wir von dem Teufelszeug Atomenergie wegkommen wollen, brauchen wir Alternativen“. Rapp glaubt, dass man vor allem in Waldgebieten mit Windrädern sehr vorsichtig sein muss.
Auch Börtlingen pocht auf Schutz des Rotmilans