Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu Gott meines Lebens“, heißt es in Psalm 42. Des Nachts gesungen wurden Vertonungen dieses Psalms am Samstag im Münster, vom Scherer-Ensemble. Die Psalmennacht mit Musik, Rezitationen und Reflexionen gehörte zur 17. Kulturnacht Ulm/Neu-Ulm – einer Nacht der Gegensätze: Tiefgründiges und Profanes, Grelles und Sanftes, Kühles und Hitziges wurden geboten, von rund 500 Akteuren an gut 100 Orten.
„Wer sich auf Wunder verlässt, der ist verlassen“, sagte Prälatin Gabriele Wulz im Münster. Doch  fünf Gehminuten entfernt, im Museum Ulm, hieß es just voller Lust an der Kunst: „Erwarten Sie Wunder!“ Und ein paar Minuten weiter, über den Donau, war in der Petruskirche eine „Wandlung“ zu bestaunen und ein reinszeniertes Abendmahl.

Trudle durch die Welt!

Kein Wunder war es, dass die Kulturinteressierten im Theater Ulm anstehen mussten: Das Theater-Labyrinth gehört zu den Erfolgskonzepten der Kulturnacht. Wer sich dort treppauf, teppab, ganghoch, gangrunter auf den Weg machte, konnte eine Menge sehen, hören, erleben: etwa Hamlet in der Dusche, von Zombies oder Prolls gestörte Streichquartette, einen Riesenschwan im Aufzug und eine Chorprobe im Podium. Alles musste raus: Im Großen Haus saßen Waldorf und Statler und gaben ihren bestens abgehangenen „Muppets“-Humor zum Besten, und im Foyer mühte sich Verwaltungsdirektorin Angela Weißhardt, noch ein paar der ausrangierten Theatersitze für 20 Euro pro Stück zu verkaufen.
Nachdem es nachmittags reichlich Kinderprogramm gegeben hatte, war die Kulturnacht am frühen Abend im bestens besuchten Haus der Museumsgesellschaft offiziell eröffnet worden. Später gab’s dort wundervolle Stummfilme mit wunderlicher Jazz-Begleitung. Und es wurde ausgeschwärmt.
Tausende trudelten durch die Gassen
„Trudle durch die Welt. Sie ist so schön!“ lautete das Motto, das der Topalian & Milani Verlag für den Abend ausgegeben hatte, in leichter Abwandlung hätte das für das ganze Event gelten können: Trudle durch unsere Städte, sie sind so schön!
Und so trudelten Tausende durch die Straßen und Gassen, schauten in Galerien und Ausstellungshäuser hinein, bestaunten Rosskultur und Breakdance auf dem Münsterplatz oder die Artistik des Zirkus Serrando auf dem Judenhof, wohnten der Bradlerschen Feuer-Farbschüttung vor dem Schuhhaus bei, erfreuten sich an chinesischem Löwentanz oder südamerikanischer Schrittfolgen. In der Zeitblomstraße war sogar ein WG-Leben als Kulturprojekt zu erleben – einer der originellen Beiträge.
Auf die Ohren gab es reichlich: vom gediegenen Jazz vielerorts über Garagenrock im Stella und Punk in der Olga-Bar bis zu den Improvisationen in der vh und dem bejubelten Auftritt von Aloha from Gagglyworld in der Hudson Bar. Weit nach Mitternacht wurde noch abgefeiert, etwa im Roxy oder in der Tischwerkstatt Weiss mit Rock ’n’ Roll bis in die Puppen. Ob Prälatin Wulz das gemeint hatte, als sie mit Gedichtzeilen Nelly Sachs’ von „der Psalmen Nachtherbergen für die Wegwunden“ gesprochen hatte?

Nach der Kulturnacht ist vor der Kulturnacht

Wie viele Menschen am Samstagabend bei der 17. Kulturnacht in Ulm und Neu-Ulm unterwegs waren, lässt sich noch nicht exakt sagen. In den letzten Jahren waren es an die 10.000 – mancherorts wurden diesmal noch mehr Bändchen verkauft, andererorts war deutlich weniger los als sonst. Fest steht: Die 18. Kulturnacht findet am 15. September 2018 statt – eine Woche vor dem Marathon.