Sollen die Bürger der Stadt Neu-Ulm selbst entscheiden, ob die Stadt den Landkreis verlassen darf? Darüber gehen die Meinungen in der politischen Landschaft der Stadt weit auseinander. Das Scheidungsverfahren ist vom Stadtrat längst mit breiter Mehrheit in Gang gesetzt worden. Am Wochenende haben die Sozialdemokraten im Landkreis mit 26 von 29 Delegiertenstimmen die SPD-Ortsverbände in Neu-Ulm und Pfuhl/Burlafingen aufgefordert, ein entsprechendes Abstimmungsverfahren bei den Bürgern auf den Weg zu bringen. Die beiden SPD-Vorsitzenden Erich ­
Krnavek (Neu-Ulm) und Rudolf Erne (Pfuhl/Burlafingen) stehen persönlich hinter dem Kreisbeschluss und denken an die Umsetzung der Vorgabe. Die SPD-Fraktion sieht nach Auskunft der Fraktionsvorsitzenden Antje Esser dafür derzeit allerdings noch keinen Anlass.
Zwei Wege sind denkbar, die Bürger per Abstimmung zu beteiligen. Das hat Stefan Hatzelmann, Leiter des Fachbereichs Kommunalrecht und Wahlen im Neu-Ulmer Landratsamt, erklärt: Ratsbegehren oder Bürgerentscheid.
Ratsbegehren Der Neu-Ulmer Stadtrat könnte in einem Ratsbegehren selbst beschließen, dass die Bürger befragt werden. Dazu braucht es jemanden, der im Gremium den entsprechenden Antrag stellt. Und es braucht eine einfache Mehrheit dafür. Diese ist im Moment nicht zu sehen, denn die große Mehrzahl der Stadträte stehen hinter dem von der Stadt vorgeschlagenen Verfahren, wie die Abstimmung Ende Juli gezeigt hat. 37 Stadträte waren der Meinung, das Scheidungsverfahren voranzutreiben, sieben Stadträte (Freie Wähler, FDP und ein SPD-Stadtrat) waren dagegen.
Bürgerentscheid Das Verfahren für einen Bürgerentscheid ist im Vergleich zum Ratsbegehren sehr viel komplexer und aufwändiger. Sollte sich die SPD zur Speerspitze der Bewegung machen, müsste sie einige Unterschriften sammeln. Laut Hatzelmann braucht es sechs Prozent der Gemeindebürger, die einen entsprechenden Vorschlag unterschreiben müssten.  Beim Kreis-Bürgerentscheid über die Zukunft der Geburtenstation in Illertissen im vergangenen Jahr waren es knapp über 43 000 Menschen, die bei diesem Thema auch in der kreisangehörigen Stadt Neu-Ulm abstimmungsberechtigt waren. Gilt diese Zahl noch, wären knapp 2600 Unterschriften für den angestrebten Bürgerentscheid notwendig. Dieser müsste dann aber noch die Hürde im Stadtrat nehmen, der letztendlich über das Zulassen der Abstimmung entscheidet. Gibt es dort dann keine Mehrheit, bliebe den Antragstellern nur noch der mühsame Weg der Klage übrig. 
Fragestellung Laut Hatzelmann ist die Fragestellung beim Ratsbegehren und beim Bürgerentscheid gleichermaßen wichtig. Die Bürger müssten genau wissen, über was sie befinden sollen. Dazu gibt es gesetzliche Vorgaben, die einzuhalten seien, die auch einer gerichtlichen Überprüfung  Stand halten müssten.
Neben Teilen der Neu-Ulmer Sozialdemokratie fordern auch die Freien Wähler in Neu-Ulm eine direkte Bürgerbeteiligung. Selbst die SPD-Fraktionschefin Antje Esser hat sich noch ein Türchen offen gehalten: Sollte sich im Verlauf der Informationsverfahrens zum angestrebten Nuxit zeigen, dass die Bürger mitsprechen wollen, könnte sich die mehrheitliche Meinung der SPD-Fraktion ändern. Das sehe sie im Moment noch nicht. Auch die Fraktionschefin der Freien Wähler sieht vor dem Bürgerentscheid noch jede Menge Informationsbedarf.

Info Die Stadt Neu-Ulm startet am morgigen Donnerstag ihre Informationstour zum Nuxit durch die Stadtteile: um 19.30 Uhr in der Gemeinschaftshalle in Ludwigsfeld. In der Seehalle in Pfuhl findet die Veranstaltung eine Woche später statt, ebenfalls 19.30 Uhr.

Was der Stadtrat beschlossen hat

Im Wortlaut „Der Stadtrat plädiert für eine Kreisfreiheit der Stadt Neu-Ulm. Er beauftragt die Verwaltung, eine abschließende Entscheidung über eine Antragstellung zur Kreisfreiheit vorzubereiten.“ Hinter diesem veränderten Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung versammelten sich am 26. Juli letztendlich 37 von insgesamt 44 anwesenden Stadträten.