Das hatte sich Amprion bei der Bürgerinformation im Staiger Bürgersaal anders vorgestellt: Das Unternehmen wollte am Mittwoch über die Aufrüstung seiner Stromtrasse von Wullenstetten bis Dellmensingen um eine 380 KV-Leitung informieren. Zu verschiedenen Themen standen Mitarbeiter parat, um ein Gespräch mit Einzelpersonen oder kleinen Gruppen zu führen. Fachleute nennen das „Vereinzelung“, so soll eine geballte Konfrontation verhindert werden.
Kurz klappte das. Bis die gegen die Aufrüstung der Stromtrasse gegründete Interessengemeinschaft geschlossen anrückte. Präsentationsbanner wurden auf die Seite gerückt und Stühle aufgestellt. Mehr als 100 Interessierte zwängten sich in den Saal und wollten gemeinsam informiert werden. Projektsprecher Jörg Webers Vorschlag, nach einer allgemeinen Information in Gruppen weiter zu machen, wurde abgelehnt. „Wir wollen alle hören, was jemand zu sagen hat“, sagte eine Frau bestimmt. Etwas irritiert lenkte Weber ein.
Es entwickelte sich eine emotionale Diskussion. Verärgert fragt beispielsweise ein Mann, woher sich Amprion das Recht nehme, so nahe zur Wohnbebauung eine weitere Höchstspannungsleitung zu installieren. Amprion nehme sich kein Recht, sondern beantrage das in einem Verfahren, sagte Weber. Auch seien vielfältig Einsprüche seitens der Bürger, Gemeinden und Behörden zugelassen, bis hin zur Klage beim Bundesverwaltungsgericht. Wie schon in der Sitzung des Gemeinderats am Tag zuvor wurde immer wieder das Abrücken der Leitung vom Ort verlangt. Erneut beteuerten die Amprion-Vertreter, dass es dafür „keinen sachlichen Grund“ gebe. Zumal die gesetzlichen Grenzwerte deutlich eingehalten würden. Das werde auf jeden Fall mit einem Gutachten der Kommune überprüft, stellte zudem Bürgermeister Martin Jung klar.
Die von vielen geforderte Verlegung der Leitung in den Boden war auch am Donnerstag bei der Informationsveranstaltung in Dellmensingen Thema. 75 Besucher waren in die Mehrzweckhalle gekommen.
Hier wie dort sieht Amprion dafür keine Chance. Als Grund nannte Weber, dass das Energieausbaugesetz eine Stromleitung im Boden nur für elf ausgesuchte Pilotprojekte vorsehe. Amprion habe also gar keine Wahl, versicherte der Sprecher. Ortsvorsteher Reinhard Härle hatte darauf hingewiesen, dass sich der Bau der Querspange B 311/B 30 geradezu für eine unterirdische Trasse anbiete. „Eine solche Chance bekommen wir nie wieder.“ Bürgermeister Achim Gaus stellte sich hinter diese Idee, wie sich überhaupt Amprion „noch bewegen“ müsse: „Wir verlangen, dass die besondere Situation von Dellmensingen mit einem großen Umspannwerk und vielen, vielen Leitungen berücksichtigt wird.“
In beiden Orten wurde angekündigt, dass gegen die Aufrüstung der Trasse geklagt wird. Als wichtiger Ansatzpunkt wurden die 60 Jahre alten Grunddienstbarkeiten genannt, die den Bau und Betrieb einer Stromtrasse auf den Grundstücken betreffen. Sie auf heute zu übertragen, dürfte Amprion nicht gelingen, hieß es. Eberhard Müller, ein Sprecher der IG-Staig, sieht sich als Punktsieger. „Wir sind dankbar, dass so viele gekommen sind. Das zeigt, dass sich auch viele außerhalb unseres Wohngebiets Sorgen machen. Das ist ein starkes Argument.“