Schön ist hier, was gefällt“, versicherte Kurt Fried. Der Verleger, Feuilletonist und Sammler zeigte in seinem legendären „studio f“ die Avantgarde – aber im Sommer 1971 hing in der Jugendstilgalerie an der Olgastraße auch Anderes: fröhliche Landschaften, bärtige Charakterköpfe, Reiseerinnerungen, Ulmer Historie. Also gerne realistische bis impressionistische Malerei. Und die kam direkt aus den Wohnzimmern: „Das schönste Bild bei mir zuhaus“ hieß die damals spektakuläre Ausstellung.
Es war eine Mitmachaktion von SÜDWEST PRESSE und studio f gewesen, die Leserinnen und Leser waren dazu aufgerufen, ihren privaten Wandschmuck vorbeizubringen. Keine Leistungsschau über den Ulmer Kunstbesitz kam dabei heraus, aber Fried konnte, mit dem 68er-Elan einer neuen demokratischen Partizipation, wunderbar nachweisen, dass jeder seinen eigenen Geschmack hat und dass die „Freude am Bild“ nicht unbedingt von künstlerisch hochwertigen Objekten bestimmt sein muss. Was ist eigentlich Kunst? Das war dann zumindest eine sehr moderne Frage mit aktuellen Antworten. Die Ausstellung war ein riesiger Publikumserfolg, rund 3500 Besucherinnen und Besucher kamen in die Galerie.
Jetzt, 50 Jahre später, greift das Museum Ulm diese Idee Kurt Frieds wieder auf. Was damals Happening-Charakter hatte, geht im interaktiven Internet-Zeitalter in die nächste Runde: „Das schönste Bild bei mir zuhaus 2.0“ möchte man sagen. Die Fragen freilich sind die gleichen geblieben: Wie unterscheidet sich unser persönlicher ästhetischer Geschmack? Ist er zeit- und trendabhängig? Museumsdirektorin Stefanie Dathe möchte zudem das eigene Tun reflektieren: „Warum umgeben wir uns in unseren Lebensräumen mit Kunst, Bildern, Objekten? Was ist der Unterschied zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sammeln?“
Das Museum Ulm lädt also wieder die Öffentlichkeit ein, Kunstwerke vorzuzeigen, die zu Hause einen besonderen Platz einnehmen, die eine außergewöhnliche private Geschichte erzählen. Eine Jury trifft dann eine Auswahl aus den „Lieblingswerken“. Und mit diesen Leihgaben wird vom 24. Juli bis 17. Oktober die Ausstellung bestückt, die im ersten Stock des Ehinger Stadels (einst ein Wohnhaus!) zu sehen sein soll.
Jeder kuratiert
Aber jetzt heißt das nicht mehr Mitmachaktion, das Museum Ulm hat über die Plattform nextmuseum.io einen „Open Call“ bis zum 16. Mai gestartet. Die Kunstschätze und -werke werden also zunächst digital eingereicht. Es geht, wie schon vor 50 Jahren, um mehr Demokratie im Kunstbetrieb. Die Kulturstiftung des Bundes fördert bekanntlich über den Fond Digital ein gemeinsames Projekt des Museums Ulm und des NRW-Forums Düsseldorf mit bis zu 760 000 Euro: „CAP2020 (Community ArtPlattform 2020)“. Konkret geht es um das „Museum der Zukunft“, um „Co-Kuration“ und „Co-Kreation“. Oder wie auf der Internetseite zu lesen ist: Museen werden zu neuartigen Plattformen, zu interaktiven Orten der Kommunikation, Integration und Wissensvermittlung. „Und sie sollten auch allen gesellschaftlichen Gruppen kulturelle Teilhabe ermöglichen.“
Die Ausstellung „Das schönste Bild bei mir zuhaus“ ist das erste Ulmer Projekt, um „das Kuratieren über die Schwarmintelligenz“ zu testen. Und mehr noch: mit den Besucherinnen und Besuchern und der (weltweiten) Community möchte das Museum dann online, in einem virtuellen Ausstellungsraum, all jene Kunstwerke aufbauen und kommentieren, die nicht im Museum analog gezeigt werden können.
„Das schönste Bild bei mir zuhaus“
Kurt Fried (1906-1981), der an einem 30. März in Aschersleben geboren wurde, war Verleger und Journalist. Seit 1959 stellte er in seiner Galerie „studio f“ progressive Kunst aus – und sammelte auch die Werke internationaler Künstler. Seine Sammlung vermachte er 1978 dem Museum Ulm.
Die Ausstellung „Das schönste Bild bei mir zuhaus“ zeigte Fried 1971. Alles über die Neuauflage dieser Idee, den Open Call und die Teilnahmebedingungen unter www.nextmuseum.io