Wegen einer zweiten 380 000-Volt-Leitung auf der bestehenden Trasse Wullenstetten-Dellmensingen-Niederwangen, wie sie Stromnetzbetreiber Amprion plant, müssten die Anwohner keine Sorgenfalten bekommen. Das versicherte Ingenieurin Dr. Hannah Heinrich am Mittwoch bei einer Informationsveranstaltung des „Bürgerdialogs Stromnetz“  im Bürgersaal in Staig den rund 25 Besuchern.
Die von den Leitungen verursachten magnetischen und elektrischen Felder hätten keine biologische Wirkung auf den Menschen. Es spiele auch keine Rolle, wenn sich die Zahl der Leitungen verdopple oder wie lange man neben einer Leitung wohnt: Der Faktor Zeit wirke sich nicht aus. Ab einer Entfernung von etwa 150 Metern zur Trasse seien in den Gebäuden die durch häusliche Quellen verursachten elektrischen Felder stärker. Wenn sich die Situation in Staig verschlechtere, dann allenfalls „marginal“, sagte Heinrich. Da die derzeitige Trasse nicht optimal mit Strom beschickt werde, könnte sich die Situation sogar etwas verbessern. Amprion sei mit der zusätzlichen Belegung gezwungen, die gesamte Anlage zu optimieren und Drehstrom-Effekte so zu nutzen, dass sich Felder gegenseitig abschwächen.
Dem Dellmensinger Helmut Gaus war das zu einseitig: Er verdächtigte die „Bürgerdialog“-Organisatoren, „für Stromnetzbetreiber unterwegs zu sein“. Dagegen wehrte sich Regionalmanagerin Karin Schrott: Die Orga­nisation sei unabhängig, beteuerte sie. Diese Unterstellung sei fahrlässig. Auch Heinrich betonte aufgrund mehrfach geäußerter Zweifel der Besucher, dass sich ihre Aussagen allein auf Ergebnisse seriöser wissenschaftlicher Untersuchungen berufen.

Zweifel an den Aussagen

Einige Bürger hatten sich in das Thema offensichtlich gründlich eingelesen und in Publikationen andere Aussagen gefunden. Genannt wurden vor allem niedrigere Grenzwerte aus anderen Staaten, die wohl nicht grundlos so festgesetzt seien, meinte einer. Heinrich hielt entgegen, dass es sich um Richtwerte handle, also um Empfehlungen, nicht aber um bindende Grenzwerte. In der Regel würden die in Deutschland festgelegten Werte gelten. Auch auf weitere fachliche Einwände hatte Heinrich Antworten.
Später konnten sich die Besucher an „Thementischen“ noch über andere Aspekte informieren, etwa über eine ökologische Einbindung von Trassen in die Natur. Ein Ziel von „Bürgerdialog“ sei erreicht worden, sagte Karin Schrott auf Nachfrage: Den Menschen aufzuzeigen, dass beim Netzausbau „nichts heimlich passiert“.
Eberhard Müller vom Staiger Initiativkreis gegen den Ausbau bleibt misstrauisch: „Ich mache mich nicht verrückt, aber meine Bedenken wurden nicht ausgeräumt.“ Beispielsweise wüsste er gerne, was ein Neurologe dazu sage, „und nicht eine Physikerin.“ Helmut Gaus, selbst Wissenschaftler, ärgerte, dass die Ergebnisse nicht wie üblich Nachweise enthielten, sondern nur das Logo von Heinrich. „So bleibt es für mich eine Einzelmeinung.“

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Initiative bezeichnet sich als unabhängig

Organisation Der „Bürgerdialog Stromnetz“ bezeichnet sich als unabhängige Initiative „für den offenen und transparenten Austausch zwischen allen Beteiligten rund um den Ausbau des Stromnetzes in Deutschland“. Mit Informations- und Dialogangeboten nehme die Initiative aktuelle Diskussionen zum Stromnetzausbau auf und setze sich für einen konstruktiven Dialog zwischen allen Beteiligten ein. Dazu stelle der „Bürgerdialog Stromnetz“ Informationen bereit und beantworte Fragen zum Netzausbau – auch online. Es gibt Bürgerbüros in zehn Städten und ein mobiles Bürgerbüro. Gefördert wird die Initiative vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.