Die Kulturnacht stellt auch die Zentrumsfrage. Man hätte jetzt mit seinem Zehn-Euro-Bändel mit dem Bus plus ordentlichen Fußmärschen nach Burlafingen zur Walther Collection und auf den Hochsträß zum HfG-Archiv und vielleicht noch zum Absacker ins Roxy ziehen können, und der Abend wäre gelaufen gewesen. Zeitmanagement gehört zum Spiel. Aber das Schönste an der Kulturnacht Ulm/Neu-Ulm ist ja die Qual der Wahl.
Die kulturelle Neugier kann einfach mal zwanglos, grenzenlos befriedigt werden. Oder wird überhaupt erst geweckt. Mitten im Trubel oder abseits. Bummeln, Chillen oder auch dorthin gehen, wo man schon immer mal vorbeischauen wollte. Lautes und Leises, Tanzbares oder auch einfach mal im Mephisto-Kino sitzen und bis in die Puppen Filme über große Maler sehen, von Vermeer bis Monet. Irre, dieses Angebot an rund 120 Orten.

Die Qual der Wahl bei der Kulturnacht

Diskussionen an Haltestellen über den Plan und wann jetzt wo was mit wem stattfindet und besucht werden soll und ob etwa Nummer 81, die romantische Geige mit Orgel in der Luther-Kirche, noch drin ist, waren jetzt wieder oft zu erleben. Wobei an diesem wunderbar spätsommerlichen, wahrhaft open-air-fähigen Samstag das Unterwegssein an sich als Unterhaltung ebenso dazugehörte: Musikstraßenbahn, Kulturspatz auf der Donau oder Bandbus.
Also auch mal hoch auf die Wilhelmsburg, mit dem Shuttle von der Neuen Mitte aus. Das Programm „reframe.burg“ möchte durch „künstlerische Interventionen“ die Festung zu einem „lebenden Organismus“ ertüchtigen, jetzt in der Kulturnacht war der Regisseur und Künstler Michael Schlecht dran - und der sagte: „Es tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss, aber Kunst gibt es bei mir nicht.“ Lampedusa-Fotos, ein billig kostümierter Ritter mit Schwert, ein Fernrohr mit Blick auf Wasser, eine Dame, die Popcorn produziert und verteilt, und ab und zu ein ironischer touristischer Werbefilm über die Wilhelmsburg. Eine nette Gesellschaftskritik. Eher ein Fünf-Minuten-Ereignis, kostete aber inklusive Wegstrecke schnell eineinhalb Stunden Kulturnacht-Budget. Aber das gehört dazu.
Die Zentrumsfrage also: Menschenmassen entschieden sich für den klassischen Rundgang: Museum Ulm, Kunsthalle Weishaupt (mit tollem Vintage Sound von Martin Meixner und seinem Trio Matchtape), Stadthaus und Münster (mit Orgelwucht von Olivier Messiaen und modernem Jazz) als Fixpunkten und zahllosen kleineren Angeboten am Wegesrand. Die Innenstadt: Sie brodelte.
Die Veranstalter der 19. Kulturnacht Ulm/Neu-Ulm schickten schon eine halbe Stunde nach Mitternacht eine euphorische Pressemitteilung herum: Die Nachfrage nach den Eintrittsbändeln sei enorm gewesen, rund 12.500 Besucher seien nach ersten Schätzungen dabei gewesen. Um diese Zeit war's in Cafés und Bars aber noch lange nicht vorbei.

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