Zu Beginn dieser Fußball-­Saison stand der SSV Ulm endlich mal wieder im nationalen Rampenlicht. Der Viertligist schaffte gegen Eintracht Frankfurt die Pokalsensation, und auch in der zweiten Runde schlug er sich wacker. Das Theater Ulm hat jetzt ebenso überregional Aufmerksamkeit erzeugt, mit einem Stück über Uli Hoeneß: Radio, Fernsehen und Nachrichtenagenturen, „Bunte“ und „Bild“ reisten an. Doch Bundesliga-Format bekamen sie nicht zu sehen. Eher ein Eigentor.
Die Theatermacherin Sarah Kohrs war beauftragt worden, ein Stück über den gebürtigen Ulmer Hoeneß zu schreiben. Was nun als „Aufstieg und Fall des Uli H. – Eine deutsche Wurstiade“ Premiere feierte, wird als „frei nach Sarah Kohrs“ bezeichnet. Aber egal, was da in der Vorbereitung passiert sein mag, die Wahrheit ist ja auf dem Platz.
Einlaufen, Abklatschen, Anspielen. Die Zuschauer sitzen rundherum auf der Podiumstribüne, wie passend, auf Schalensitzen, die Bühne ist schwarz-weiß sechseckig. Auch das Ensemble trägt Schwarz-Weiß, einen Mix aus Sportler- und Sträflingskleidung – eine hübsch unsubtile Idee (Ausstattung: Hartmut Holz). Die Rückennummer? „4028BEA“. Das war Hoeneß’ geheimes Fußballkonto bei der Schweizer Privatbank Vontobel.

Metaphorische Würste

„Was ist grün und stinkt nach Fisch? Werder Bremen!“ Zunächst gibt’s ein Fan-Schmähgesangs-­Medley, auch das Anti-­Bayern-Lied der Toten Hosen. Biografische Fakten zu Hoeneß werden vorgetragen, und aufgepasst: „Wir zitieren nur!“ Man könne ja etwa nicht sagen, dass Hoeneß ein Schwein sei, nein, das dürfe man nicht; es ist juristisch schwer bespielbares Gelände. Leider werden Ball und Witz flach gehalten.
Bei einem Quiz erhalten die Gewinner vegetarische Würste, wie das Thema Wurst sich ja sowieso durch den Abend zieht, irgendwie. Der metaphorische Nährwert ist freilich begrenzt.
Das Stück arbeitet sich durch Etappen von Hoeneß’ Leben, wobei zunächst mehr erzählt als gespielt wird: wie der Metzgersohn von der Profikarriere träumt, wie er seine Susi kennenlernt, wie er zu den Bayern geht, wie er Wurstfabrikant wird. Dazu wird fleißig gesungen, „She Works Hard For The Money“, „Willst du mit mir geh’n“, „Stern des Südens“ (am Klavier: Jens Blockwitz).
Die Darsteller wechseln die Rollen, Hoeneß wird dabei als geschäftstüchtig, ehrgeizig, egoistisch gezeigt. Eine Riesenwurst kommt auf die Bühne, „Money, Money, Money“ wird gesungen. Das alles hat weder tragische noch humoristische Fallhöhe, der Erkenntnisgewinn ist gleich Null, ein Charakterporträt entsteht so schon gar nicht. Ist die Realität etwa so krass, dass Satire in der Causa Hoeneß gar nicht möglich ist? Wer an die kürzliche Pressekonferenz der Bayern-Bosse denkt: Allein die war absurder und unterhaltsamer als alles, was jetzt auf der Bühne zu sehen ist.
Falls Regisseur Stephan Dorn einen Matchplan hat – er geht nicht auf. Die spielerischen Mittel sind arg begrenzt: Vor allem in der zähen ersten Halbzeit wird fast nichts theatralisch gestaltet. Standardsituationen gelingen nicht, Kabinettstückchen sind rar; mit Bild- und Tonmaterial wollte oder konnte man offenbar nicht arbeiten. Nach der Pause wittert man hin und wieder Torgefahr, aber auch da geht einfach kein Ball rein. So war etwa die Daum-­Affäre tatsächlich grotesker, als sie hier geschildert wird.
Die Mannschaft – Benedikt Paulun, Maurizio Micksch, Tini Prüfert, Jakob Egger, Nicola Schubert und Gunther Nickles – versucht, über den Kampf zum Spiel zu finden, aber Erfolgserlebnisse sind für die Akteure rar. Die verbalen Dribblings ermüden.
Nach 90 Minuten, nachdem Steueraffäre und Gefängnis abgehandelt sind, darf Hoeneß, was sonst, „My Way“ singen – und etwas Nachspielzeit muss schon sein, schließlich ist die Geschichte des jetzt 66-Jährigen mit „Aufstieg und Fall“ nicht zu Ende erzählt. Wenigstens gibt es auf der Bühne keine Verlängerung.
Eine Heimniederlage fürs Theater Ulm, aber immerhin sehr freundlicher Premierenapplaus.

Bis Februar im Spielplan

Das Stück „Aufstieg und Fall des Uli H.“ wird bis Ende Februar noch 14 Mal gespielt. Die nächsten Aufführungen sind am kommenden Donnerstag sowie am 5., 7., 12., und 15. Dezember.