Wenn Ursula Klaschka ihren Studenten etwas über unfairen Handel erzählen will, dann tut sie das am liebsten am Beispiel Schokolade. Da kann jeder mitreden. In kaum einem Land wird so viel genascht wie in der Bundesrepublik. Eine Million Tonnen konsumieren die Deutschen jährlich. Das entspricht fast einem Viertel der Weltproduktion.
Produziert wird der Rohstoff in Breitengraden nahe des Äquators, insbesondere in westafrikanischen Staaten wie Ghana, Kamerun oder der Elfenbeinküste. Etwa 14 Millionen Menschen weltweit arbeiten in Kakaoplantagen, die große Mehrheit lebt davon mehr schlecht als recht.
Trostlose Lage
Klaschka, die an der Hochschule Ulm Professorin ist und sich dort schwerpunktmäßig mit umweltverträglicher Produktion und umweltorientierter Unternehmensführung beschäftigt, hat sich ins Thema Schokoladenproduktion regelrecht reingebissen. „Die Situation ist trostlos“, bilanziert die Chemikerin. Auf dem Weltmarkt diktierten Spekulanten und eine Handvoll internationale Ketten die Konditionen, bei den Bauern komme nur ein Bruchteil des Umsatzes an. Hinzu kämen neuerdings Qualitätseinbußen durch Viren und Pilze, begünstigt durch die stete Zunahme von Monokulturen. Die Folge ist ein Preisverfall. „Kakaobauern haben im Schnitt weniger als einen Dollar pro Tag zum Leben. Kinderarbeit ist bei ihnen deshalb gang und gäbe.“
Bei fair gehandelter Schokolade sehe es dagegen weniger bitter aus. Plantagendörfer, die Partner einer Fairtrade-Organisation sind, wie etwa in der kleinen Inselrepublik São Tomé e Principe, erhalten einen Mindestabnahmepreis. Sie bekommen langfristige Lieferverträge, können ihre Kinder zur Schule schicken – und auch die Schokolade sei von besserer Qualität, weil auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet werde. So zahle etwa der Fairtrade-Importeur Gepa Bauern für eine Tonne Rohkakao 3000 Euro, das sind rund 700 Euro mehr als der Weltmarktpreis. Klaschka berichtet von Dorfgemeinschaften, die mit den Einnahmen ihre Grundwasserversorgung sicherten, Sanitäranlagen bauten, das Schuldach neu deckten oder eine Maismühle anschafften. „Die Menschen dort sind immer noch arm, aber sie haben wieder eine Perspektive.“ Die sich auch dahingehend auswirke, dass bei ihnen der Druck abnehme, nach Europa zu emigrieren.
Was das alles mit uns zu tun hat? „Der Konsument ist die entscheidende Stellschraube“, sagt Klaschka. Doch gerade einmal 0,25 Prozent der in Deutschland verkauften Schokolade stammten aus fairem Handel. Wer das ändern wolle, fange man am besten im eigenen Umfeld ein.
Geboren war somit die Idee, die Hochschule Ulm zur „Fairtrade-Hochschule“ zu machen. Dahinter verbirgt sich ein Gütesiegel des Vereins Fairtrade Deutschland. Zuerkannt wird es Universitäten und Hochschulen, die dauerhaft einen bestimmten Kriterienkatalog erfüllen. Kernpunkt ist ein weitgehender Verzicht auf unfair produzierte Lebensmittel im gastronomischen Angebot – was vor allem Tee-, Kaffee-, und Schokoladenprodukte betrifft. Das Lebensmittelsiegel sei nicht das Ende der Fahnenstange, findet Klaschka, die schon einen Schritt weiter denkt. „Es gibt auch faire Telefone oder faire Edelmetalle für Forschungszwecke.“ Auch da könne die Hochschule als Abnehmer und Kunde bewusste Entscheidungen für mehr Nachhaltigkeit treffen. Zwei Dutzend Hochschulen in Deutschland führen den Zusatztitel „Fair“ bereits im Schilde, in der Region Ulm gibt es noch keine.
Mit ihrer Initiative hat Klaschka bei Volker Reuter offene Türen eingerannt. „Das stärkt unsere Glaubwürdigkeit“, findet der Rektor. Schon unter seinem Vorgänger Achim Bubenzer hatte sich die technische Hochschule ein Nachhaltigkeits-Leitbild verpasst, bezogen vor allem auf die inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunktsetzung. „Wenn unser ganzes Handeln nachhaltig sein soll, dann muss es auch auf die Lebensmittel zutreffen, die wir verkaufen“, findet Reuter. „Wir wollen eine Vorbildfunktion einnehmen und dem Trend zum billigsten Produkt etwas entgegensetzen.“
Vorlauf braucht es immer. Voraussichtlich im Frühjahr 2019 will die Hochschule das Gütesiegel beantragen, bis zur Genehmigung dürfte es dann noch einmal ein paar Monate dauern. Und dann? Dass die Welt durch ein paar mehr verkaufte Tafeln faire Schokolade und den Ausschank sauberen Kaffees nicht paradiesisch wird, weiß auch Klaschka. Es gehe der Hochschule vor allem um eine Bewusstseinsschärfung, sagt die Chemikerin. „Unsere Studierenden sind Multiplikatoren. Setzt sich das hier durch, werden viele vielleicht auch Freunden und der Familie davon erzählen und so das Käuferverhalten im Alltag verändern.“
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Fünf Kriterien gilt es zu erfüllen
Titel Für den Titel Fairtrade-University muss eine Hochschule fünf Punkte erfüllen. Bewerben können sich alle deutschen Hochschulen und Unis.
1 Die zentralen Organe von Hochschulverwaltung und Studierendenschaft beschließen gemeinsam, sich für Auszeichnung als Fairtrade-University zu bewerben.
2 Eine mindestens dreiköpfige Steuerungsgruppe wird gebildet, die sämtliche Aktivitäten koordiniert.
3 Bei Sitzungen und offiziellen Veranstaltungen werden Fairtrade-Produkte angeboten.
4 Produkte aus fairem Handel sind auf dem Campus in Geschäften, Cafeterien und Mensen verfügbar. In den gastronomischen Betrieben müssen mindestens zwei Produkte aus fairem Handel angeboten werden.
5 Auf dem Campus finden mindestens zweimal pro Semester Veranstaltungen zum fairen Handel statt.