Hoffentlich lobt sie Ulm“, war Helga Malischewskis großer Wunsch vor dem Auftritt der Kanzlerin am Freitagnachmittag auf dem Münsterplatz. Ganz in „Angie-Orange“ war die FWG-Stadträtin gekleidet vom Hut bis zu den Schuhen, um ihre Sympathien für Angela Merkel zu bekunden. Um exakt 16.33 Uhr betrat die, umringt von CDU-Prominenz und Sicherheitskräften, den abgesperrten Teil vor der Rednertribüne – und erfüllte prompt, was sich die Ulmer Lokalpolitikerin gewünscht hatte.
Begleitet von Pfiffen und Buh-Rufen von etwa 200 Protestierern mit AfD-Plakaten, lobte die Kanzlerin in ihrer 35-minütigen Rede die digitale Offensive der Stadt unter OB Gunter Czisch und erinnerte daran, dass sie seit der Amtszeit der früheren Abgeordneten Annette Schavan immer gerne nach Ulm komme, um unter dem „wunderbaren Ulmer Münster“ zu sprechen.
Nur einmal ging sie in ihrem Vortrag auf die Störer ein, die teilweise unverschämte und beleidigende Beschimpfungen von sich gaben. „Mit Brüllen und Pfeifen kriegen wir Deutschland nicht erfolgreich“, sagte sie zur Begrüßung und ignorierte ansonsten die Dauerberieselung, unter der viele umstehende Zuhörer litten. Die Polizei schätzt die Besucher auf zwischen 3000 und 4000 Personen. Allein im abgesperrten Sitzplatzbereich fanden 850 geladene Gäste Platz.
Die Wahlveranstaltung fand unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zur Neuen Straße und zur Hirschstraße hin waren Betonblöcke aufgestellt, in den zum Platz führenden Gassen sollten quergestellte Polizeiautos für Sicherheit sorgen. In der ganzen Stadt war Polizei verteilt, links und rechts der zwischen Münster und Stadthaus aufgestellten Bühne standen acht Sicherheitskräfte des Bundeskriminalamtes.
In ihrer Rede erfüllte die Kanzlerin dann auch die Wünsche des CDU-Fraktionschefs im Ulmer Gemeinderat, Thomas Kienle. Der hatte sich ein starkes Bekenntnis zu Europa gewünscht und einen kräftigen Schub für die letzten Stunden des Wahlkampfs. „Die Kanzlerin zu bekommen, ist nicht jedem vergönnt“, sagt er und wertete dies als besondere Auszeichnung der Kanzlerin für die CDU-Kandidatin Ronja Kemmer. Auch in diesem Punkt traf Merkel den richtigen Ton für ihre Basis, sagte sie doch, dass es sie freue, dass im Wahlkreis Ulm die „Frauentradition weitergeht“.
Die 28-jährige Kemmer bedankte sich für die Unterstützung und überreichte der Kanzlerin als Geschenk eine Nachbildung der Venus vom Hohlen Fels bei Schelklingen.
Stimmen aus dem Publikum zum Auftritt der Kanzlerin
Überrascht „Ich war überrascht über die große Menge der AfD-Protestierer“, sagt Ursula Fideler aus Allmendingen. Schließlich habe die Kanzlerin in einer der reichsten Gegenden Deutschlands geredet. Das ohrenbetäubende Pfeifkonzert und die teils aggressive Stimmung habe sie beängstigt. „Aber es hat mir auch gezeigt, dass ich hier sein muss, um gegenzuhalten.“
Erschreckt „Zu kurz“ fand Florian Forthuber die Reden. Der 20-Jährige zieht mit dieser Äußerung skeptische Blicke seiner Kumpels („Das war voll lang ey“) auf sich, und differenziert. „Was Merkel sagt, kennt man ja. Aber ich hätte mir mehr von der Ulmer Kandidatin Ronja Kemmer gewünscht.“ Er wähle zum ersten Mal und habe keine Ahnung, wem er die Erststimme geben solle. Den massiven Protest der Rechten fand Forthuber erschreckend. „Das hat nix mit Demokratie zu tun.“
Empört „Ich finde es empörend, dass es so wenige Gegenreaktionen gegen die Schreihälse gab“, sagt Francoise Sencie. In ihrer Heimat Belgien hätte man mehr Zivilcourage gezeigt, glaubt sie. „Von Merkels Rede hab‘ ich nichts mitbekommen. Es war zu laut.“
Begeistert „Wunderbar“ fand Gerd Mannes aus Leipheim die Veranstaltung. Der bekennende AfD-ler hält das Trillerpfeifen-Konzert für gerechtfertigt. „Wir stehen um sechs Uhr auf und arbeiten den ganzen Tag. Aber unser Geld wird verschleudert. Wir sind so laut, weil wir ignoriert werden.“ cmy