Sein stets übersprudelnder Geist ist jetzt verstummt: City-Fest, City-Kalender, Berblinger-Brunnen, pro ulma – hinter all diesen Ideen und vielen mehr, die Ulms Stadtqualität teils temporär, teils bis heute mitbestimm(t)en, steckte Rolf Grüner. Vor wenigen Tagen ist er im Alter von 83 Jahren an den Folgen einer Allergie gestorben.
Im Ulm der 70er- und 80er-Jahre schien Rolf Grüner allgegenwärtig zu sein. Einen Großteil seiner Ideen entwickelte er damals im Dienste der Ulmer City-Werbegemeinschaft e.V., die fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, am 28. Oktober 1968, gegründet wurde. Den Wettbewerb um ein starkes Logo gewann der gelernte Fotograf mit seinem „City-Spatz“.
Plakate, Aktionen, Ausstellungen
Der kennzeichnete in den folgenden Jahren die Plakate, die für die zahllosen Aktionen warben, die Grüner am laufenden Band einfielen – ob das nun die Ulmer City-Meisterschaft im Mensch-ärgere-dich-nicht war, das Ausstellen von Wolpertingern in den Schaufenstern der Ulmer City-Läden, die Muttertagsparty auf dem Ulmer Judenhof oder die „City-Täsch“. 25.000 dieser stabilen grünen Stofftaschen ließ Grüner produzieren, um die Plastiktüte zurückzudrängen, und war damit seiner Zeit weit voraus. Auch der „Abt-Spatz“, der bis vor kurzem noch das Pendel der Uhr am Hause Abt auf dem Münsterplatz zierte, war von ihm.
Grüner, damals Layouter und Gestalter bei der SÜDWEST PRESSE, wurde vom Verlag mit dem Management der Werbegemeinschaft betraut. Für sie hat er in den 25 Jahren seiner Tätigkeit über 120 Events erdacht und ausgeführt. Das größte davon, das am meisten Aufsehen erregte, bestand aus einem ganzen Bündel von Ideen: das Ulmer City-Fest.
Großereignis City-Fest
Dieses Großereignis 1971 war das erste Freiluft-Fest in der Innenstadt, lange bevor der Schwörmontag von der Friedrichsau auf das Stadtzentrum übergriff. So etwas kannten die Ulmer bis dahin nur aus dem Urlaub im Süden. Und es geschah Unvorstellbares: Der stets vollgeparkte Münsterplatz wurde für diesen Anlass vom Blech befreit. Mit dem Segen des Ulmer Einzelhandels!
Für das dritte City-Fest hatte Grüner die geniale Idee, die damals noch so genannten „Gastarbeiter“ ins Programm zu integrieren. Italiener, Jugoslawen, Türken, Griechen, Spanier und Portugiesen waren gebeten, in einer „Promenade der Gaumenfreuden ihre Spezialitäten den Ulmern schmackhaft zu machen. Auch die Amis kamen mit einem Kühlwagen voller Hamburger.
Im folgenden Jahr brachten sie den Ulmern auch noch ihre Folklore nahe; lange, bevor andere Initiativen dies aufgriffen. Und der einheimische Pop-Nachwuchs durfte seine Fähigkeiten bei den „Latenten Talenten“ auf dem Schuhhausplätzle beweisen.
Ein wahres Sammler-Objekt aber wurde der City-Kalender, der 1972 erstmals erschien. Grüner wählte für diese seine Erfindung später ein Format, das einem großen Bild einen ausführlichen Textteil hinzufügte, was Inhalte von Buchqualität zuließ. Viele Ulmer im Ausland wurden zu Weihnachten von ihren Freunden und Verwandten damit erfreut.
Auch im Stadtbild hat Grüner seine Spuren hinterlassen. Von ihm stammte die Idee eines Berblinger-Brunnens, den der Bildhauer Josef Henger gestaltete. Im Oktober 1976 wurde er an der Kreuzung Hirsch-/Glöcklerstraße aufgestellt, doch er geriet als Punker-Treff zum öffentlichen Ärgernis und wurde schließlich entfernt. Die Berblinger-Plastik fristet heute ein Schattendasen zwischen C&A und Galeria Kaufhof.
Auch in Neu-Ulm präsent
Jenseits der Donau prägte Grüner für lange Zeit das Bild des östlichen Neu-Ulmer Stadtrandes. Mittlerweile von der Zeitung zur Ulmer Münster-Brauerei gewechselt, ließ er auf deren Fruttika-Gelände einen Siloturm mit einer Hülle verkleiden, auf der eine 16 Meter hohe Coca-Cola-Flasche prangte. Als größte ihrer Art fand sie Eingang in das Guinness-Buch der Rekorde.
Am nachhaltigsten aber war Grüners Idee, eine Bürgergemeinschaft zur Erhaltung und Erneuerung des alten Ulm zu gründen. Dafür nutzte er das City-Fest 1977. Bei einem weiteren City-Fest veranstaltete er eine pro-ulma-Tombola, die umgerechnet rund 26.000 Euro zur Rettung der Münsterfenster einbrachte. Auch wenn Grüner selbst schon lange nicht mehr dabei war, trägt pro ulma nach wie vor mit Zuschüssen dazu bei, das alte Ulmer Stadtbild zu erhalten und bis zum heutigen Tag 134 Objekte mit insgesamt 711.450,19 Euro zu fördern. An den größeren prangt das – natürlich von Grüner entworfene – pro-ulma-Logo.
Bis zum Schluss quoll er über von Ideen. Seine letzte galt dem 250. Geburtstag des Schneiders von Ulm, der 2020 ansteht. Grüner schwebte vor, allen einen Berblinger-Flug nicht in, sondern über die Donau zu ermöglichen, befestigt an einem Flügelpaar, das an einem Drahtseil den Fluss quert. Man darf gespannt sein, ob diese Idee ihren Erfinder überlebt.
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Am 28. Oktober 1968 ging’s los
Gründung „Nach dem Vorbild von benachbarten Städten konstituierte sich gestern abend auch in Ulm eine ,City-Werbegemeinschaft‘ des in der Innenstadt ansässigen Einzelhandels.“ So stand in der SÜDWEST PRESSE vom 29. Oktober 1968 zu lesen. Eingeladen waren 110 Firmen, von denen immerhin 50 Ulmer Einzelhandelsunternehmen an der Gründungsversammlung vertreten waren. Rolf Grüner gestaltete zu jener Zeit als Layouter und Fotograf die Wirtschaftsbeilagen und Anzeigenkollektive der SÜDWEST PRESSE. Der Verlag entsandte ihn als City-Manager in die Werbegemeinschaft, deren Image er jahrelang mit seinen nie versiegenden Ideen prägte. pn